Clara Viebig, geboren am 17. Juli 1860 in Trier, war eine deutsche Schriftstellerin, die zu den meistgelesenen Autoren um die Jahrhundertwende gehörte. Sie war eine bedeutende Vertreterin des deutschen Naturalismus, entwickelte sich mit einigen Werken aber über diesen hinaus. Ihre Romane, Novellen und Theaterstücke spiegeln die gesellschaftlichen Umbrüche ihrer Zeit wider und zeichnen sich durch eine realistische Darstellung sozialer Missstände aus.
Kindheit und Jugend:
Clara Viebig wurde in eine bildungsbürgerliche Familie geboren. Ihr Vater, Ernst Viebig, war ein preußischer Regierungsbeamter, der 1848 der Frankfurter Nationalversammlung angehörte. Die Familie zog mehrmals um, zunächst nach Düsseldorf, wo Clara die Luisenschule besuchte, eine typische höhere Töchterschule dieser Zeit. Schon früh entwickelte sie eine Leidenschaft für Literatur und verschlang Werke von Heine, Storm, Raabe, Balzac und Hugo.
Der Weg zur Schriftstellerin:
Nach dem Tod ihres Vaters 1881 zog Clara Viebig mit ihrer Mutter nach Berlin, um dort eine Gesangskarriere zu verfolgen. Sie studierte an der Hochschule für Musik und gab Privatstunden, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Doch ihre stimmlichen Mittel reichten nicht aus, um ihre ambitionierten Ziele zu verwirklichen. Aus finanzieller Not begann sie 1894, kleinere literarische Arbeiten für die Tagespresse zu verfassen.
Der literarische Durchbruch:
Clara Viebigs erste Veröffentlichungen waren Märchen, Skizzen und Novellen, die sie zunächst unter dem Pseudonym „C. Viebig“ veröffentlichte, um ihre Geschlechtsidentität zu verschleiern. In der wilhelminischen Gesellschaft galt es als unschicklich für eine Frau aus „höheren“ Kreisen, sich als Schriftstellerin zu betätigen. 1896 debütierte sie mit dem Roman Wildfeuer in der Berliner Volkszeitung. Im selben Jahr heiratete sie den jüdischen Verleger Friedrich Theodor Cohn, den sie über Theodor Fontane kennengelernt hatte. Cohn wurde ihr wichtigster Förderer und Verleger.
1897 folgte der literarische Durchbruch mit dem Roman Rheinlandstöchter und der Novellensammlung Kinder der Eifel. Drei Jahre später sorgte der Roman Das Weiberdorf für einen Skandal. Die Bewohner des Eifeldorfes Eisenschmitt, das Viebig im Roman leicht verfremdet als „Eifelschmitt“ darstellte, fühlten sich in ihren Sitten und Moralvorstellungen diffamiert. Die katholische Kirche wetterte gegen die freizügige Darstellung der Menschen und ihrer Leidenschaften. Entgegen landläufiger Meinung wurde Das Weiberdorf allerdings nie auf den Index Librorum Prohibitorum gesetzt.
Das vielfältige Werk:
Clara Viebigs Werk ist weit umfassender als ihr Ruf als „Heimatdichterin“ der Eifel vermuten lässt. Sie schrieb auch Romane und Novellen, die in Berlin, Düsseldorf und der Provinz Posen spielen. Ihr Werk zeichnet sich durch eine genaue Beobachtung sozialer Milieus und eine realistische Darstellung der Lebensumstände der einfachen Leute aus. In ihren Romanen thematisiert sie die Herausforderungen der Industrialisierung, die Landflucht, die soziale Ungleichheit und die Rolle der Frau in der modernen Gesellschaft.
Besonders hervorzuheben sind die Kriegsromane Töchter der Hekuba (1917) und Das rote Meer (1920), in denen Viebig die Schrecken des Ersten Weltkriegs aus der Perspektive der Frauen und Mütter schildert. Sie selbst erlebte den Krieg als Zäsur und verarbeitete darin die Erfahrungen ihres Sohnes Ernst, der sich freiwillig zum Militärdienst gemeldet hatte.
Die späten Jahre:
Nach dem Ersten Weltkrieg zog sich Clara Viebig zunehmend ins Private zurück. Sie verfasste weiterhin Romane und Novellen, wandte sich aber verstärkt historischen Stoffen zu. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde Viebig wegen ihres jüdischen Ehemanns angefeindet und ihre Publikationsmöglichkeiten wurden eingeschränkt. Ihr Sohn Ernst emigrierte 1934 nach Brasilien. Nach dem Tod ihres Mannes 1936 beantragte Clara Viebig die Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer, um weiterhin veröffentlichen zu können. Es gelang ihr jedoch nur, drei ältere Romane neu aufzulegen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Clara Viebig in der Bundesrepublik zunächst kaum beachtet. In der DDR hingegen versuchte man, sie als sozialistische Schriftstellerin zu vereinnahmen. Erst mit dem Aufkommen der neuen Frauenbewegung in den 1970er Jahren erfuhr ihr Werk eine Wiederentdeckung.
Clara Viebig heute:
Clara Viebig starb am 31. Juli 1952 im Alter von 92 Jahren in Berlin. Ihr Grab befindet sich auf dem Nordfriedhof in Düsseldorf. Heute wird ihr Werk wieder verstärkt gelesen und erforscht. Die 1992 gegründete Clara-Viebig-Gesellschaft setzt sich für die Erforschung und Verbreitung ihres Werkes ein. Im Eifeldorf Eisenschmitt, dem Schauplatz ihres Skandalromans Das Weiberdorf, wurde 2005 das Clara-Viebig-Zentrum eingerichtet.
Clara Viebig war eine bedeutende Stimme des deutschen Naturalismus, die mit ihren Romanen und Novellen ein lebendiges Bild der gesellschaftlichen Umbrüche ihrer Zeit zeichnete. Ihr Werk verdient es, wiederentdeckt und neu gelesen zu werden.
Alle Titel von Clara Viebig
Clara Viebig
Das Kreuz im Venn
Roman. E-Book. Erste Auflage 2024.
Erschienen am 21. Oktober 2024