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Ein Held im Schatten: Varian Fry und die Rettung der Literatur

In den Wirren des Zweiten Weltkriegs, als die Welt in Dunkelheit gehüllt war, gab es einen Mann, der sich mutig gegen die Tyrannei stellte: Varian Fry. Ein amerikanischer Journalist, der sich nicht scheute, sein eigenes Leben zu riskieren, um das Leben anderer zu retten. Seine Geschichte ist nicht nur ein Zeugnis von Mut und Entschlossenheit, sondern auch eine Liebeserklärung an die Literatur und die Macht des Wortes.

Marseille 1940: Ein Brennpunkt der Verfolgung

Juni 1940. Hitlers Wehrmacht hatte Frankreich besiegt. Die Gestapo fahndete nach Intellektuellen, Künstlern und Schriftstellern, die vor dem Nazi-Regime geflohen waren. Namen wie Heinrich Mann, Franz Werfel, Hannah Arendt und Lion Feuchtwanger standen auf den Todeslisten der Nazis. Diese Menschen, die die literarische und intellektuelle Elite Europas bildeten, waren nun in Marseille gefangen, einem Ort, der zur Drehscheibe für Flucht und Verzweiflung wurde.

In dieser düsteren Zeit betrat Varian Fry die Bühne. Ein 27-jähriger Journalist aus New York, der sich selbst als „klassischen Ostküstenintellektuellen“ beschrieb. Fry reiste nicht nur als Beobachter nach Europa. Er war ein Mann mit einer Mission, getrieben von einer tiefen Überzeugung, dass man etwas gegen die Gräueltaten der Nazis tun muss.

Varian Mackey Fry (* 15. Oktober 1907 in New York City; † 13. September 1967 in Redding, Connecticut). Quelle: IRCDECOMMS / CC BY-SA 4.0

Ein Journalist mit Mission

Fry war kein typischer Held. Er war kein Soldat, kein Geheimagent, sondern ein Intellektueller, der an die Macht der Worte glaubte. Seine journalistische Arbeit hatte ihn schon früh mit den Schrecken des Nationalsozialismus konfrontiert. 1935 in Berlin erlebte er antisemitische Ausschreitungen auf dem Kurfürstendamm und erkannte, dass Hitler auf einen Krieg zusteuerte. Diese Erfahrung prägte ihn nachhaltig und entfachte in ihm den Wunsch, sich gegen das Böse zu stellen.

Als sich die Situation in Europa zuspitzte, gründete sich in den USA das Emergency Rescue Committee (ERC). Dieses Komitee suchte dringend jemanden, der in Frankreich die in Not geratenen Künstler und Intellektuellen retten sollte. Varian Fry meldete sich freiwillig. Obwohl er keinerlei Erfahrung in der Untergrundarbeit hatte, war er bereit, alles zu riskieren, um zu helfen.

Das Netzwerk der Hoffnung in Marseille

In Marseille angekommen, begann Fry mit der gefährlichen Aufgabe, ein Netzwerk aufzubauen, das den Flüchtlingen helfen sollte. Er richtete sein Hauptquartier im Hôtel Splendide ein und scharte bald eine Gruppe von Freiwilligen um sich, die ihm bei seiner Arbeit halfen. Darunter befanden sich auch andere Flüchtlinge, wie der 25-jährige Albert Hirschmann, der bald zu Frys Spezialist für Fragen der Illegalität wurde.

Fry erkannte schnell, dass er nicht alle retten konnte. Er musste Entscheidungen treffen, wer am dringendsten Hilfe benötigte. Sein Kriterium war einfach: Wer stand auf den Fahndungslisten der Nazis und schwebte in größter Gefahr, deportiert zu werden?

Marseille, Hafenviertel. Bundesarchiv, Bild 101I-027-1474-38 / Vennemann, Wolfgang / CC-BY-SA 3.0

Die Geretteten: Ein Who’s Who der Literatur

Unter den von Varian Fry geretteten Schriftstellern und Intellektuellen finden sich einige der bedeutendsten Namen des 20. Jahrhunderts. Hier ist eine kleine Auswahl:

  • Heinrich Mann: Der ältere Bruder von Thomas Mann war ein bekannter Schriftsteller und Kritiker des Nationalsozialismus. Er lebte mit seiner Freundin Nelly in Nizza und musste nach der deutschen Invasion fliehen.
  • Franz Werfel: Der österreichische Schriftsteller, bekannt für seinen Roman „Die vierzig Tage des Musa Dagh“, war ebenfalls auf der Flucht vor den Nazis. Er und seine Frau Alma Mahler-Werfel konnten dank Fry nach Amerika entkommen.
  • Lion Feuchtwanger: Der deutsche Schriftsteller, dessen Werke von den Nazis verboten und verbrannt wurden, war besonders gefährdet. Er war in Les Milles interniert und wurde durch eine waghalsige Aktion gerettet.
  • Anna Seghers: Die deutsche Schriftstellerin und Kommunistin war ebenfalls auf der Flucht. Ihre Werke, die oft von den Niederlagen kämpfender Arbeiter handelten, galten als subversiv.
  • Walter Benjamin: Der deutsche Philosoph und Essayist war einer der bedeutendsten Denker des 20. Jahrhunderts. Er übergab seinen letzten Essay an Hannah Arendt in Marseille bevor er zur Flucht aufbrach.
  • Hannah Arendt: Die deutsch-amerikanische Philosophin und politische Theoretikerin floh ebenfalls vor den Nazis. Sie war eine enge Vertraute von Walter Benjamin.

Diese Liste ist nur ein kleiner Einblick in die vielen Menschen, denen Fry und sein Team das Leben retteten. Ihre Werke sind bis heute von großer Bedeutung und zeugen von der Kraft der Literatur und des Geistes.

Die Flucht: Ein Wettlauf mit der Zeit

Die Rettungsaktionen waren oft gefährlich und abenteuerlich. Fry musste gefälschte Pässe besorgen, Fluchtrouten organisieren und die Flüchtlinge über die Grenze schmuggeln. Er arbeitete mit Schleppern zusammen und nutzte alle möglichen Tricks, um die Nazis und die Vichy-Polizei zu überlisten.

Eine der bekanntesten Fluchtgeschichten ist die von Franz Werfel und seiner Frau Alma. Sie mussten unter schwierigsten Bedingungen über die Pyrenäen fliehen, wobei Werfel, der übergewichtig und außer Form war, immer wieder an seine Grenzen stieß. Auch Heinrich Mann war schon 70 Jahre alt und nicht mehr gut zu Fuß, so dass er Unterstützung bei der Flucht brauchte.

Lion Feuchtwanger wurde auf spektakuläre Weise aus dem Internierungslager Les Milles befreit. Ein Mann in einem weißen Anzug, Harry Bingham, der Vizekonsul im amerikanischen Konsulat in Marseille, gab ihm eine dunkle Brille, einen Frauenmantel und ein Kopftuch. So verkleidet konnte Feuchtwanger das Lager verlassen.

Die Last der Verantwortung

Fry trug eine enorme Last. Er musste ständig Entscheidungen treffen, die über Leben und Tod entschieden. Der Druck war immens, und er litt unter Schlaflosigkeit und Depressionen. Er wurde immer wieder von den Behörden bedrängt und musste seine Aktionen geheim halten.

Trotz der immensen Herausforderungen rettete Varian Fry mit seinem Team etwa 2000 Menschen vor den Nazis. Er bewies, dass ein Einzelner in einer scheinbar ausweglosen Situation etwas bewirken kann.

Gedenktafel für Varian Fry (1907-1967), Varian-Fry-Straße (Berlin). Quelle: Christian Michelides / CC BY-SA 4.0

Das Ende der Mission und die späte Anerkennung

Im August 1941 wurde Fry von den französischen Behörden ausgewiesen. Er kehrte in die USA zurück, wo er auf wenig Anerkennung stieß. Das Emergency Rescue Committee (ERC) warf ihm Eigenmächtigkeit und Ungehorsam vor, und das State Department verweigerte seinen Klienten die Visa.

Fry fand es schwer, sich wieder in den USA einzuleben. Er schrieb über seine Erfahrungen in Marseille, aber sein Buch „Surrender on Demand“ fand wenig Beachtung. Er starb 1967 im Alter von 59 Jahren, ohne die Anerkennung zu erhalten, die er verdiente.

Doch die Geschichte von Varian Fry geriet nicht in Vergessenheit. In den 1990er Jahren ehrte ihn die israelische Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechten unter den Völkern“. Sein Mut und seine Entschlossenheit sind heute eine Inspiration für viele. Die Geschichte von Varian Fry ist wie ein Drehbuch für einen Film, und so gibt es seit April 2023 eine aufwendig produzierte Netflix Serie über seine Rettungsaktionen mit dem Titel „Transatlantic“.

Was können wir heute lernen?

Die Geschichte von Varian Fry ist nicht nur ein bewegendes Kapitel der Zeitgeschichte, sondern auch eine Erinnerung daran, dass jeder Einzelne etwas bewegen kann. Sie lehrt uns, dass Zivilcourage und Empathie wichtiger sind als je zuvor.

Die geretteten Schriftsteller und Intellektuellen haben mit ihren Werken die Welt bereichert. Ihr Kampf gegen die Tyrannei ist ein Mahnmal für die Bedeutung der Freiheit des Denkens und des Wortes.

Wir laden Sie ein, sich mit den geretteten Schriftstellern und ihren Werken auseinanderzusetzen. Tauchen Sie ein in die Welten von Heinrich Mann, Franz Werfel, Lion Feuchtwanger, Anna Seghers und all den anderen, die dank Varian Fry und seines Teams eine Chance auf ein neues Leben bekamen.

Denn ihre Geschichten sind nicht nur Zeugnisse einer dunklen Vergangenheit, sondern auch ein Aufruf zu Hoffnung, Mut und Menschlichkeit.

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