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Ida Dehmel: Eine vergessene Pionierin der Moderne

Ida Dehmel, geboren als Ida Coblenz am 14. Januar 1870 in Bingen am Rhein und gestorben am 25. Mai 1942 in Hamburg, war eine bemerkenswerte Frau, die sich als Mäzenin, Frauenrechtlerin und Netzwerkerin in der deutschen Kulturszene um 1900 einen Namen machte. Ihr Wirken, das oft im Schatten ihres berühmten Mannes, des Dichters Richard Dehmel, stand, wird durch die Digitalisierung und Erforschung ihres Nachlasses nun endlich in seiner ganzen Bedeutung sichtbar.

Eine Frau im Spannungsfeld der Geschlechterrollen

Ida Dehmel wuchs in einer Zeit auf, in der die Rollen von Frauen in der Gesellschaft stark reglementiert waren. Die Vorstellung, dass Frauen von Natur aus unkünstlerisch seien, war weit verbreitet und schränkte ihre Möglichkeiten zur Entfaltung stark ein. Trotz dieser gesellschaftlichen Hürden entwickelte Ida ein starkes Selbstbewusstsein und ein tiefes Interesse an Literatur und Kunst. Sie verstand es, sich in einer von Männern dominierten Welt zu behaupten und ihren eigenen Weg zu gehen. Ida agierte in einem Spannungsfeld zwischen ästhetischem und ökonomischem Kapital. Sie war sich der zeithistorischen Bedingungen für literarische Publikationen bewusst und bewegte sich geschickt in den Machtverhältnissen zwischen Autoren, Verlagen und Kritikern.

Die Rolle der Mäzenin

Ida Dehmel war nicht nur eine Förderin des Werks ihres Mannes, sondern auch eine wichtige Unterstützerin anderer Künstler und Intellektueller. Sie verstand es, ein Netzwerk von bedeutenden Persönlichkeiten der Zeit zu knüpfen und zu pflegen. Dieses Netzwerk reichte von Hofmannsthal, Rainer Maria Rilke, Thomas Mann, August Strindberg, Jakob Wassermann, Harry Graf Kessler, Julius Meier-Graefe, Franz Oppenheimer, Paula Dehmel, Alice Bensheimer, Hedwig Lachmann, Julie Wolfthorn, Else Lasker-Schüler, Ellen Key, Elisabeth Förster-Nietzsche bis hin zu Alma Mahler. Ihre Korrespondenz mit diesen Persönlichkeiten bietet exklusive Einblicke in künstlerische Arbeitsweisen und kulturpolitisches Agieren im Europa des frühen 20. Jahrhunderts. Ida und Richard Dehmel agierten in einem interdisziplinären Netzwerk von namhaften Künstlern und Kulturschaffenden. Ida unterstützte junge Talente und etablierte Künstler gleichermaßen und die Dehmels öffneten ihr Haus für kulturelle Veranstaltungen und Lesungen.

Porträt der Lyriker Ida Dehmel, 1916. Gemeinfrei.

Ida Dehmel als Netzwerkerin und „Influencerin“

Die Briefe im Dehmel-Archiv zeigen, wie intensiv Ida mit anderen Akteuren des Kulturbetriebs in Kontakt stand. Sie nutzte ihre Kontakte, um die Karriere ihres Mannes zu fördern, aber auch um andere Künstler zu unterstützen und kulturelle Projekte zu initiieren. In dieser Hinsicht kann Ida Dehmel als eine Art „Influencerin“ ihrer Zeit betrachtet werden, die durch ihre Kommunikation und ihr Netzwerk die öffentliche Wahrnehmung von Kunst und Literatur beeinflusste. Ida war eine zentrale Akteurin im literarischen und künstlerischen Diskurs um 1900. Sie nutzte Briefe als wichtiges Medium für Kommunikation und Networking und der Austausch von Expertise und die gegenseitige Unterstützung waren wichtige Elemente ihres Netzwerks.

Frauenrechtlerin und politisches Engagement

Neben ihrem Engagement im Kulturbetrieb war Ida Dehmel auch eine engagierte Frauenrechtlerin. Sie setzte sich aktiv für die Rechte von Frauen ein, insbesondere für das Frauenwahlrecht. Ida war Mitglied im „Bund Deutscher Frauenvereine (BDF)“ und leitete zeitweise sogar die „Zentrale der Kriegsfürsorge“ in Mannheim. Sie war sich der Ungleichbehandlung von Frauen im Literaturbetrieb bewusst und kämpfte für eine größere Sichtbarkeit weiblicher Autorinnen. Ida war aktiv in der Frauenbewegung und setzte sich für politische Rechte von Frauen ein. Sie engagierte sich in verschiedenen Frauenvereinen und war sich der Benachteiligung von Frauen im Literaturbetrieb bewusst und versuchte, diese zu überwinden.

Das Dehmel-Archiv: Ein Schatz für die Nachwelt

Ida Dehmel erkannte früh die Bedeutung von Archiven und Nachlässen für die Bewahrung kulturellen Erbes. Sie legte großen Wert auf die akribische Sortierung und Aufbewahrung der Briefe und Manuskripte ihres Mannes und ihrer eigenen Korrespondenz. Das Dehmel-Archiv, das heute in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg aufbewahrt wird, ist ein wichtiger Fundus für die Forschung. Es umfasst rund 35.000 Briefe von namhaften Vertretern des europäischen Kunst- und Kulturbetriebs. Ida hatte ein ausgeprägtes „Nachlassbewusstsein“ und legte großen Wert auf die Bewahrung von Dokumenten. Sie schuf ein umfangreiches Archiv mit Briefen und Manuskripten. Das Archiv ist eine wichtige Quelle für die Forschung über die Dehmels und ihre Zeit. Die Digitalisierung des Archivs im Projekt „Dehmel digital“ ermöglicht einen breiteren Zugang zu diesem wertvollen Material. Ida befürchtete eine unsachgemäße Weiterverarbeitung des Nachlasses durch Literaturwissenschaftler.

Ida als Herausgeberin und Bewahrerin des Werks ihres Mannes

Nach dem Tod ihres Mannes übernahm Ida die Rolle der Herausgeberin seiner Werke. Sie wählte die Briefe für die posthume Ausgabe aus, bearbeitete sie und verteidigte ihre Entscheidungen gegenüber dem Verlag. Ihre editorische Arbeit zeigt ihr tiefes Verständnis für das Werk ihres Mannes und ihre Fähigkeit, als professionelle Herausgeberin zu agieren. Ida gab die Briefe ihres Mannes nach seinem Tod heraus und verteidigte ihre editorische Arbeit. Sie hatte ein genaues Wissen über das Dehmel’sche Werk und seine Intentionen. Sie agierte selbstbewusst in der Rolle der Herausgeberin. Ida berief sich auf die Intention des Dichters und ihre detaillierte Textarbeit.

Richard Dehmel mit seiner Frau Ida im Garten des Nietzsche-Archivs, 1904. Gemeinfrei.

Das unvollendete Werk: Ida Dehmels „Daja“

Ida Dehmel selbst war auch schriftstellerisch tätig, doch ihre eigenen literarischen Ambitionen wurden von den gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen und ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter überschattet. Ihr Romanmanuskript „Daja“, das als Mischform aus Autobiografie und Roman angesehen werden kann, wurde zu ihren Lebzeiten nicht veröffentlicht. Trotzdem ist es heute eine wichtige Quelle für die Erforschung ihrer Biografie und ihrer Lebensumstände. Ida schrieb an ihrem Roman „Daja“, der aber zu ihren Lebzeiten nicht veröffentlicht wurde. Sie nahm immer wieder ihren Status als Autorin zurück. Der Roman wurde hauptsächlich zur Rekonstruktion ihrer Biografie genutzt und sie identifizierte sich in späteren Jahren mit der Figur Daja.

Ida Dehmels Briefe: Einblicke in ein bewegtes Leben

Ida Dehmels Briefe bieten einen faszinierenden Einblick in ihr bewegtes Leben, ihre Gedanken und Gefühle, ihre Beziehungen zu anderen Menschen. Die Korrespondenz mit ihrer Schwester Alice Bensheimer ist besonders aufschlussreich und dokumentiert eine lebenslange, enge Beziehung. Die Briefe geben Auskunft über ihre persönlichen Beziehungen, ihre Erfahrungen als Frau in der Gesellschaft um 1900, ihre politischen Ansichten und ihre Rolle als Mäzenin und Netzwerkerin. Idas Briefwechsel mit ihrer Schwester Alice Bensheimer ist besonders aufschlussreich. Die Briefe dokumentieren Idas Leben und ihre Beziehungen zu anderen Personen. Sie spiegeln Idas Gedanken, Gefühle und politischen Ansichten wider. Die Briefe geben Einblick in ihren Alltag, ihre Reisen und ihre kulturellen Aktivitäten und die Briefe wurden in den meisten Fällen in der damals üblichen Kurrentschrift verfasst.

Ida Dehmels bleibender Einfluss

Ida Dehmel war eine beeindruckende Frau, die in vielerlei Hinsicht ihrer Zeit voraus war. Sie war nicht nur die Frau an der Seite eines berühmten Dichters, sondern eine eigenständige Persönlichkeit mit großen Verdiensten um Kunst, Kultur und Frauenrechte. Ihr Engagement, ihr Netzwerk und ihr ausgeprägtes Nachlassbewusstsein machen sie zu einer wichtigen Figur der deutschen Geschichte. Die Digitalisierung ihres Nachlasses im Projekt „Dehmel digital“ ermöglicht es uns heute, ihr Wirken besser zu verstehen und ihre Bedeutung für die Moderne neu zu entdecken. Ida Dehmel war eine Pionierin, die ihren eigenen Weg ging und dabei einen bleibenden Eindruck hinterließ. Ihr Leben und Werk sind ein inspirierendes Beispiel für Frauen, die sich nicht durch gesellschaftliche Normen einschränken lassen.

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