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Liebe und Wissenschaft: Ein literarisches Porträt

In ihrem malerischen Sommerhaus am See, einem ehemaligen Anwesen der Familie Gormann, empfangen uns Dr. Martin und Magdalena Breuer. Die Idylle des Ortes scheint wie geschaffen für die Ruhe, die Dr. Breuer für sein neues Werk sucht. Doch hinter der beschaulichen Fassade verbirgt sich eine Geschichte, die an die bewegte Beziehung von Dr. Martin und Magdalena Breuer aus Helene von Mühlaus Roman »Frau Doktor Breuer« erinnert. Wie sehr spiegelt sich das Leben der beiden in der Literatur wider? Ein Gespräch über Liebe, Leidenschaft und die Herausforderungen einer Beziehung, die von einem außergewöhnlichen Geist geprägt ist.

Dr. Breuer, Frau Breuer, Ihr Leben als Ehepaar steht im Mittelpunkt von Helene von Mühlaus Roman »Frau Doktor Breuer«. Inwiefern hat die Autorin Ihre persönlichen Erfahrungen aufgegriffen und literarisch verarbeitet?

Dr. Breuer: Nun, das ist eine Frage, die ich mir selbst oft gestellt habe. Helene von Mühlau versteht es auf beeindruckende Weise, die Zerrissenheit eines Mannes darzustellen, der wie ich, zwischen den Ansprüchen der Wissenschaft und den Erwartungen der Gesellschaft steht. Die Romanfigur Dr. Breuer mag zwar an manchen Stellen überspitzt dargestellt sein, aber im Kern trifft sie doch den Kern meiner Persönlichkeit: Die absolute Hingabe an meine Arbeit, die oft zu Lasten meiner Frau und meiner Ehe ging.

Magdalena Breuer: Ich muss gestehen, als ich den Roman zum ersten Mal las, war ich zutiefst betroffen. Helene von Mühlau beschreibt die Gefühlswelt einer Frau, die ihren Mann bedingungslos liebt und doch unter seiner außergewöhnlichen Lebensweise leidet, mit einer Direktheit, die mich tief im Inneren berührte. Natürlich ist nicht alles im Roman eins zu eins mit unserem Leben identisch, aber die zentralen Konflikte unserer Ehe, die Einsamkeit, die Zweifel, die Sehnsucht nach einem „normalen“ Leben – all das hat die Autorin sehr treffend eingefangen.

Frau Breuer, Sie haben sich entschieden, Ihren Mann auf seinem Weg zu unterstützen, auch wenn es Ihnen nicht immer leicht gefallen ist. Was gab Ihnen die Kraft, an seiner Seite zu bleiben?

Magdalena Breuer: Ich glaube an meinen Mann. Schon als wir uns kennenlernten, spürte ich, dass er eine besondere Gabe hat, dass seine Arbeit die Welt verändern könnte. Natürlich gab es Momente, in denen ich mit meinem Schicksal haderte, in denen ich mir ein Leben an der Seite eines Mannes wünschte, der mehr Zeit für mich hatte, der die Freuden des Alltags mit mir teilte. Aber die Liebe zu Martin, das Wissen um seine außergewöhnliche Begabung, gab mir immer wieder die Kraft, weiterzumachen.

Dr. Breuer: Magdalena war und ist der Fels in meiner Brandung. Ohne sie, ohne ihre bedingungslose Unterstützung, wäre mein Werk niemals entstanden. Ich bin mir bewusst, dass ich ihr viel abverlangt habe, dass meine Art, die Welt zu sehen, oft mit ihren Bedürfnissen kollidierte. Aber ich hoffe, dass sie eines Tages verstehen wird, dass meine Arbeit, mein Werk, auch ein Geschenk an sie ist.

Der Roman spielt in einer Zeit des gesellschaftlichen Wandels. Inwiefern hat dieses Umfeld Ihre Beziehung beeinflusst?

Dr. Breuer: Die Gesellschaft erwartet von einem Mann, dass er einen bürgerlichen Beruf ergreift, eine Familie gründet und ein solides Leben führt. Ich habe mich gegen diese Erwartungen aufgelehnt. Meine Entscheidung für die Wissenschaft, für ein Leben fernab der Konventionen, hat zu Konflikten geführt, sowohl mit meinem Schwiegervater, der in mir den klassischen Geschäftsmann sehen wollte, als auch mit meiner Frau, die sich nach einem „normalen“ Familienleben sehnte.

Magdalena Breuer: Als Tochter eines wohlhabenden Fabrikdirektors war mein Lebensweg vorgezeichnet: Eine gute Partie, eine standesgemäße Hochzeit, ein Leben im Wohlstand. Meine Ehe mit Martin entsprach nicht diesen Vorstellungen. Der Roman zeigt, wie schwierig es für eine Frau meiner Zeit war, sich von diesen gesellschaftlichen Zwängen zu befreien und ihren eigenen Weg zu finden.

Das Gormannsche Haus am See

Frau Breuer, der Umzug aufs Land bedeutete für Sie die Trennung von Ihrem gewohnten Umfeld. Wie haben Sie diese Zeit erlebt? Gab es Momente, in denen Sie mit dem Gedanken gespielt haben, in die Stadt zurückzukehren?

Magdalena Breuer: Der Umzug war Martins Idee. Er versprach sich davon mehr Ruhe und Inspiration für seine Arbeit. Für mich bedeutete er jedoch eine zusätzliche Isolation. Fernab meiner Familie, meiner Freunde, fühlte ich mich oft einsam und verloren. Natürlich gab es Momente, in denen ich mit dem Gedanken spielte, alles hinter mir zu lassen und in die Stadt zurückzukehren. Aber dann sah ich Martin bei der Arbeit, sah die Leidenschaft in seinen Augen, und ich wusste, dass ich ihn nicht alleine lassen konnte.

Dr. Breuer: Der Umzug aufs Land war notwendig. Ich brauchte die Abgeschiedenheit, die Ruhe, um mich ganz meiner Arbeit zu widmen. Natürlich war mir bewusst, dass dies ein Opfer für Magdalena bedeutete. Aber ich war davon überzeugt, dass die ländliche Idylle auch ihr guttun würde.

Dr. Breuer, Sie wirken sehr nachdenklich. Gibt es etwas, das Sie besonders beschäftigt?

Dr. Breuer: Ich denke darüber nach, ob ich Magdalena gegenüber immer gerecht geworden bin. Die Arbeit an meinem Werk hat mich oft zu einem Gefangenen meiner selbst gemacht. Ich habe Magdalena vernachlässigt, ihre Bedürfnisse ignoriert, ihre Zweifel nicht ernst genommen. Im Rückblick frage ich mich, ob der Preis, den sie für meine außergewöhnliche Begabung zahlen musste, nicht zu hoch war.

Magdalena Breuer: Martin, das musst du dir nicht vorwerfen! Ich habe dich immer geliebt, trotz deiner Fehler, trotz deiner Launen. Es war nicht immer einfach, aber ich bereue keine Sekunde unserer gemeinsamen Zeit.

Vielen Dank, Dr. Breuer, Frau Breuer, für diese offenen und ehrlichen Einblicke in Ihr Leben. Zum Abschluss möchte ich Sie noch bitten, unseren Lesern, die Ihr Leben nun durch Helene von Mühlaus Roman kennenlernen können, ein paar Worte mit auf den Weg zu geben.

Dr. Breuer: Nun, es ist sicherlich ungewöhnlich, das eigene Leben auf diese Weise dargestellt zu sehen. Manches mag dem Leser befremdlich erscheinen, anderes vielleicht zutiefst menschlich. Letztendlich ist es aber Helene von Mühlau gelungen, die Geschichte einer außergewöhnlichen Liebe zu erzählen, die allen Widerständen zum Trotz ihren Weg geht.

Magdalena Breuer: Der Roman »Frau Doktor Breuer« ist mehr als nur die Geschichte unserer Ehe. Es ist ein zeitloses Porträt über die Höhen und Tiefen des Lebens, über die Sehnsucht nach Glück und Erfüllung und über die Opfer, die man bereit ist, für die Liebe zu bringen.

Vielen Dank, Dr. Breuer, Frau Breuer, für das Gespräch.

Helene von Mühlau

Frau Doktor Breuer

Roman (1920). E-Book. Neue Auflage 2024.

Erschienen am 20. September 2024

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