Über die Autorin
Bertha Pappenheim (* 27. Februar 1859 in Wien; † 28. Mai 1936 in Neu-Isenburg) war eine österreichisch-deutsche Frauenrechtlerin. Sie war Gründerin des Jüdischen Frauenbundes. Bekannt wurde sie darüber hinaus als Patientin Anna O. Die von Josef Breuer zusammen mit Sigmund Freud in den Studien über Hysterie veröffentlichte Fallgeschichte war für Freud Ausgangspunkt für die Entwicklung seiner Theorie der Hysterie und damit der Psychoanalyse.
Ihre ersten Arbeiten veröffentlichte Bertha Pappenheim zunächst anonym, dann unter dem Pseudonym „Paul Berthold“, eine zu der Zeit unter weiblichen Schriftstellern noch verbreitete Praxis. Das Pseudonym leitet sich von ihrem Namen ab: Aus „Berth(a) Pappenheim“ wurde „P(aul) Berth(old)“. Ab 1902 veröffentlichte sie Novellen und Bühnenstücke unter eigenem Namen.
Den 1888 anonym erschienenen Kleinen Geschichten für Kinder folgte 1890 der Erzählungsband In der Trödelbude. Die neun Novellen des Bandes haben als Gegenstand jeweils einen defekten oder sonst wie untauglichen Trödel: eine Spitze, eine Spieldose oder eine Kaffeekanne.
Eine ihrer ersten Arbeiten war die Übersetzung von Mary Wollstonecraft programmatischer Grundschrift der feministischen Bewegung aus dem Englischen, die 1899 unter dem Titel Mary Wollstonecraft – Eine Verteidigung der Rechte der Frau erschien.
Darüber hinaus gab es zahlreiche zu ihren Lebzeiten unveröffentlichte Texte. Das Meiste ist verloren, das Verbliebene verstreut. Zu den verstreuten Texten gehören die sogenannten Denkzettel, kurze, teilweise datierte Maximen und Sinnsprüche, von denen sie einige in ihren letzten Jahren von ihrer Sekretärin Lucy Jourdan sammeln und abschreiben ließ.
Der Schwerpunkt ihrer Schriften lag aber auf der Aufklärung, insbesondere über die soziale Situation jüdischer Flüchtlinge und den Mädchenhandel. 1930 publizierte sie ihr bekanntestes Buch Die Sisyphus-Arbeit, eine Studie über Mädchenhandel und Prostitution in Osteuropa und dem Orient.
Jüdischer Frauenbund
Bei der im Oktober 1902 in Frankfurt abgehaltenen ersten deutschen Konferenz zur Bekämpfung des Mädchenhandels wurde Bertha Pappenheim zusammen mit Sara Rabinowitsch beauftragt, eine Reise nach Galizien zur Untersuchung der dortigen sozialen Situation zu unternehmen. In ihrem 1904 erschienenen Bericht über die mehrmonatige Reise schildert sie die aus der Kombination von agrarischer Rückständigkeit und beginnender Industrialisierung, aber auch aus der Kollision von Chassidismus und Zionismus entstehenden Probleme.
Auf dem International Council of Women 1904 in Berlin wurde die Gründung eines nationalen jüdischen Frauenverbandes beschlossen, der ähnlich dem von Helene Lange 1894 mitbegründeten Bund Deutscher Frauenvereine (BDF) die sozialen und emanzipatorischen Bestrebungen der jüdischen Frauenvereine zusammenfassen sollte. Bertha Pappenheim wurde zur ersten Vorsitzenden des Jüdischen Frauenbundes (JFB) gewählt, den sie zwanzig Jahre lang leiten und für den sie bis zu ihrem Tod 1936 tätig sein sollte. Der JFB trat 1907 dem BDF bei. Von 1914 bis 1924 gehörte Pappenheim dem Vorstand des BDF an.
Die Ziele des JFB waren einerseits feministisch – Stärkung der Frauenrechte und Förderung der Erwerbstätigkeit jüdischer Frauen –, entsprachen anderseits den traditionellen Zielen jüdischer Philanthropie – Ausübung der Wohltätigkeit als Gottesgebot. Die unterschiedlichen Bestrebungen zu integrieren, war für Pappenheim nicht immer leicht. Insbesondere erregte es Anstoß, dass sie in ihrem Kampf gegen den Mädchenhandel nicht nur offen über die jüdischen Frauen als Opfer, sondern auch über jüdische Männer als Täter sprach.
Sie kritisierte das Frauenbild in der jüdischen Religion und forderte als Angehörige der deutschen Frauenbewegung, die Ideale der Gleichberechtigung auch innerhalb der jüdischen Institutionen zu verwirklichen. Dabei ging es ihr besonders um Bildung und Gleichstellung im Berufsleben.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 übernahm Pappenheim noch einmal den Vorsitz des JFB, gab ihn jedoch 1934 wieder ab, weil sie trotz der existenziellen Bedrohung der Juden in Deutschland ihre ablehnende Haltung zum Zionismus nicht aufgeben wollte, während im JFB – wie im deutschen Judentum insgesamt – der Zionismus nach 1933 zunehmend Zustimmung fand. Insbesondere ihre Haltung zur Jugend-Alijah hatte für Kontroversen gesorgt. Die Emigration von Kindern und Jugendlichen nach Palästina ohne ihre Eltern, die in Deutschland blieben, lehnte sie ab. Dennoch brachte sie selbst eine Gruppe von Heimkindern 1934 nach Großbritannien in Sicherheit. Nach Erlass der Nürnberger Gesetze am 15. September 1935 revidierte sie allerdings ihren Standpunkt und plädierte für die Auswanderung der jüdischen Bevölkerung. Nach dem Tod von Pappenheim wurden ihre Funktionen im JFB teilweise von Hannah Karminski übernommen. 1939 wurde der Jüdische Frauenbund von den Nationalsozialisten aufgelöst.
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