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Hedwig Courths-Mahler: Deines Bruders Weib. Roman.

Bernhard Falkner saß in dem Privatkontor seiner Fabrik draußen am Südende der Stadt. Diese Fabrik, in der Teppiche gewebt wurden, war ein großer, roter Ziegelbau, der von drei Seiten einen mächtigen Hof umschloß. Die vierte Seite des Hofes begrenzte die Mauer, die das Grundstück von der Straße abschloß und in der zwei große Tore zur Ein- und Ausfahrt der Wagen und eine schmälere Pforte für Fußgänger angebracht waren.

Hunderte von Arbeitern und Beamten bevölkerten dieses Gebäude. Oben unter dem Dache befanden sich die Zeichensäle, wo die Teppichmuster entworfen und die Detailzeichnungen angefertigt wurden. Drunten hörte man das Schwirren und Fauchen der Maschinen, das Klappern der Webstühle, und einer Anzahl geöffneter Fenster entströmte feuchter Dampf und ein eigentümlicher Geruch von Farbe und feuchter Wolle.

In dem großen Hofe standen Wagen, die mit Teppichballen beladen wurden, die ein Fahrstuhl von oben herab beförderte. Bernhard Falkner war an dieses Geräusch so gewöhnt, daß es ihn nicht mehr störte. Seit zweiundzwanzig Jahren war er Besitzer dieser Fabrik. Er hatte sie selbst erbauen lassen, als er sich mit seiner ersten Frau vermählte. Das große Vermögen, das sie ihm in die Ehe brachte, hatte ihm das ermöglicht, denn er selbst hatte nur über ein bescheidenes Kapital verfügt. Die Fabrik hatte bald einen guten Ruf bekommen, sie war leistungsfähig, und es fehlte nicht an lohnenden Aufträgen. Mit den Jahren hatte Bernhard Falkner, der ein tüchtiger, begabter Kaufmann war, sein Unternehmen noch vergrößert und verbessert. Es war viel Geld eingekommen, aber er hatte auch, dank seiner verschwenderischen zweiten Frau, viel verbraucht. Und nun sollte er, gerade zu einer Zeit, da er allerlei Fehlschläge gehabt hatte, seinem Sohne das mütterliche Erbteil auszahlen, das bisher in seinem Geschäft gesteckt hatte. … #ErsteSätze

Ernst Weiß: Ich, der Augenzeuge. Roman.

Das Schicksal hat mich dazu bestimmt, im Leben eines der seltenen Menschen, welche nach dem Weltkrieg gewaltige Veränderungen und unermeßliche Leiden in Europa hervorrufen sollten, eine gewisse Rolle zu spielen. Oft habe ich mich nachher gefragt, was mich damals im Herbst 1918 zu jenem Eingriff bewogen hat, ob es Wißbegierde, die Haupteigenschaft eines in der ärztlichen Wissenschaft tätigen Forschers, war oder eine Art Gottähnlichkeit, der Wunsch, auch einmal das Schicksal zu spielen.

Einerlei, ich will mein Leben vorerst bis zu jenem Tage Ende Oktober oder Anfang November 1918 in kurzen Zügen darstellen. Nüchtern und klar, schmucklos und möglichst wahrheitsgetreu.

Ich bin in Süddeutschland geboren als der einzige eheliche Sohn eines ziemlich angesehen Hoch- und Tiefbauingenieurs. Die Anlage von Bergwerken und dergleichen hat meinen Vater wenig gereizt. Sein eigentliches Gebiet waren Brücken, und ich entsinne mich, daß wir, meine sehr geliebte zarte Mutter, er und ich, eines Herbsttages mit der Eisenbahn von M. nach I. reisten und daß mich, als ich eingeschlummert war, mein Vater plötzlich weckte, als wir über eine Eisenbahnbrücke fuhren, die er im letzten Sommer zu Ende gebaut hatte. Ich merkte nichts Besonderes an der Brücke, es schien mir eine Eisenbahnbrücke wie alle anderen zu sein, sie führte über einen mit Weiden und Erlen eingefaßten Wildbach, aus dessen Bett ein paar bemooste Steine hervorragten, die Böschung, noch ohne Grasnarbe, war nicht besonders steil, aber meine Mutter tat, als sei sie außer sich vor Begeisterung, und sie hustete, wie immer, wenn sie sich erregte. Mein Vater lächelte bescheiden unter seinem dicken blonden Schnurrbart. Gelegentlich vertraute er mir an, es gäbe etwas noch Schöneres zu bauen als Brücken, nämlich Schlösser, Warenhauspaläste, Bahnhöfe, aber diese Aufgabe behielte er sich für später vor. … #ErsteSätze

Nurit Dorn: Der Blick aus der Ewigkeit. Gespräche.

Dostojewski im 21. Jahrhundert – ein Interview, das die Abgründe der Seele enthüllt.

Was wäre, wenn Fjodor Dostojewski, der Meister des psychologischen Romans, heute leben würde? Nurit Dorn führt ein unglaubliches Interview.

Mit seiner scharfsinnigen Beobachtungsgabe analysiert Dostojewski die moderne Welt – Technologie, Globalisierung, Kapitalismus – und enthüllt die Abgründe der menschlichen Seele.

Von Künstlicher Intelligenz bis hin zu Krieg und Frieden – Dostojewski teilt seine Gedanken zu den drängendsten Fragen unserer Zeit: Überwachung, Nationalismus, religiöser Fanatismus. In einer komplexen Welt warnt er vor der Sehnsucht nach einfachen Lösungen und den Gefahren des Autoritarismus.

»Der Blick aus der Ewigkeit«: Ein fesselndes Interview, das unsere Zeit mit den Augen Dostojewskis sehen lässt. Tauchen Sie ein in die Tiefen der menschlichen Seele!

Über die Autorin

Die in Frankfurt geborene Nurit Dorn entdeckte früh ihre Leidenschaft für Geschichten und arbeitete zunächst als Lektorin, bevor sie als Journalistin die Welt bereiste und für verschiedene Magazine über gesellschaftliche und kulturelle Themen schrieb. Ihre journalistische Neugier führte sie zu Begegnungen mit Menschen aus allen Gesellschaftsschichten, deren Geschichten sie einfühlsam einzufangen wusste. Seit 2016 lebt Nurit Dorn mit ihrer Familie im kulturell vielfältigen Straßburg, wo sie als freie Journalistin und Schriftstellerin arbeitet.

Nurit Dorn: Jenseits der sieben Meere. Gespräche.

Was können uns Figuren aus längst vergangenen Zeiten über unsere heutige Welt verraten? Nurit Dorn zeigt in ihrem neuen Buch, dass Joseph Conrads Helden erstaunlich aktuelle Antworten auf diese Frage bereithalten.

Nurit Dorn hat es geschafft, Conrads Helden zum Sprechen zu bringen. In persönlichen Gesprächen berichten Lord Jim, Kyrill Rasumoff und Nostromo von ihren Erfahrungen mit Schuld und Verrat, ihrer Suche nach Identität in einer Welt im Umbruch und ihren moralischen Kämpfen inmitten des Kolonialismus. Sogar Charles Marlow, die rätselhafte und vermittelnde Figur in Conrads Werk, bricht sein Schweigen und reflektiert über die Schattenseiten des Kolonialismus und die Brüchigkeit von Moral.

Dorn zeichnet eindringliche Porträts dieser gebrochenen Helden und entführt uns in eine Epoche voller Zerrissenheit, die unserer eigenen Zeit erschreckend ähnelt. Die Interviews eröffnen einen faszinierenden Zugang zu den großen Themen im Werk Conrads: Schuld und Sühne, Verrat und Loyalität, die Macht der Vergangenheit und die Suche nach Sinn in einer Welt ohne Gewissheiten.

Tauchen Sie ein in die Welt von Joseph Conrad und entdecken Sie die zeitlose Relevanz seiner Werke – ein Leseerlebnis, das die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen lässt und Sie zum Nachdenken anregt.

Über die Autorin

Die in Frankfurt geborene Nurit Dorn entdeckte früh ihre Leidenschaft für Geschichten und arbeitete zunächst als Lektorin, bevor sie als Journalistin die Welt bereiste und für verschiedene Magazine über gesellschaftliche und kulturelle Themen schrieb. Ihre journalistische Neugier führte sie zu Begegnungen mit Menschen aus allen Gesellschaftsschichten, deren Geschichten sie einfühlsam einzufangen wusste. Seit 2016 lebt Nurit Dorn mit ihrer Familie im kulturell vielfältigen Straßburg, wo sie als freie Journalistin und Schriftstellerin arbeitet.

Clara Viebig: Das Kreuz im Venn. Roman.

In die Enge der Gassen war die Sonne noch nicht hinabgedrungen. Denn tief unten im Talspalt liegt die Stadt neben den Fluß gequetscht, ein Haufe altersgedunkelter Schieferdächer. Finster blickt ein verfallener Wachtturm auf Kirche und Apotheke am Markt nieder. Und von der anderen Seite am jenseitigen Berghang schaut die alte Burg herunter in den Alltag der Bürgerhäuser und der klingenden Ladentürchen, der rauchenden Fabrikschlöte und der gellenden Dampfpfeife, des gemütlichen Schwatzens der Skatbrüder beim Schoppen, des Weibergeträtsches und des Sporenklirrens der Herren vom Schießplatz, die ihre freie Zeit benützen zu einer Flasche Sekt und einem guten Diner bei der schönen Helene im »Weißen Schwan«.

Der »Weiße Schwan« war heute so wie immer der Sammelplatz. Vor seiner verschnörkelten Barocktür, darüber ein Schwan schon ein Jahrhundert sich schaukelt, drängten sich die Herren. Alle in Zylinder und schwarzen Röcken; doch auch einige Uniformen waren unter dem feierlichen Schwarz. Der Wirt vom »Schwan« war gestorben.

»Armer Kerl«, sagte Adjutant von Scheffler, der eigens vom Platz herunterbeordert worden war, das Offizierkorps zu vertreten. »War immer höchst fidel. Und engherzig in keiner Weise – nee, wahrhaftig nicht!« Er lächelte flüchtig. … #ErsteSätze

Emma Haushofer-Merk: Luxuspflänzchen. Novelle.

Georg Werdau war sehr angenehm überrascht, als er den erwarteten Besuch am Münchner Bahnhöfe abholte. Seine Frau pflegte in einem so mitleidigen Tone von ihrer unverheirateten Freundin zu sprechen, seit diese, scheinbar gänzlich resigniert, eine Stelle als Leiterin einer wirtschaftlichen Schule angenommen hatte. Da er immer nur von der »armen Hildegard« hörte, war er darauf gefaßt, einem welken, von der Entsagung angegrauten Wesen zu begegnen, und er hatte auch nur nach einer altjüngferlichen Erscheinung im klösterlichen Lehrerinnenanzug ausgeschaut. Zu seiner Verblüffung sprang da aber eine elegante Dame aus dem Wagen, keineswegs mit kurzgeschnittenem Haar oder mit glatten Resignationsscheiteln, sondern modisch frisiert, in einem dunkelblauen Schneiderkleid, das sehr gut an ihrer nicht besonders schlanken, aber sehr stattlichen, kraftvollen Gestalt saß.

Sie erkannte ihn sofort, während er noch zweifelte, und streckte ihm mit heiterem Ausdruck die Hand entgegen.

Besonders hübsch war sie wohl nie gewesen, aber sie sah gesund und frisch aus, und er hatte gleich bei der Begrüßung einen sympathischen Eindruck; so, als wären sie sich eigentlich gar nicht fremd.

Wie rasch sie die Gepäckfrage erledigte! Sie trug nur eine kleine Ledertasche in der Hand, hatte schon ihren Kofferschein einem Dienstmann übergeben. … #ErsteSätze

Helene von Mühlau: Frau Doktor Breuer. Roman.

Im Bureau des Herrn Gormann brannte ein Feuer und machte den Raum sehr behaglich; denn draußen ging ein kalter Frühlingswind, und die Kälte, die nach ein paar fast sommerlich warmen Tagen von neuem eingetreten war, war peinigender als im Winter.

Herr Gormann hatte eine Flasche Wein und drei Gläser auf einen Tisch stellen lassen; auch eine Kaffeemaschine, zum Anzünden der Spirituslampe bereit, war vorhanden.

»Kaffee oder Wein – mir ist es gleichgültig! Meinethalben mögen sie beides nehmen – wenn sie nur zu einem Entschluß kommen.«

Er sah auf die Pendeluhr, die an der Wand hing. »Wenn sie pünktlich wären, könnten sie schon da sein!« sagte er verdrießlich, stand von seinem Stuhl auf und ging in dem schmalen, langgestreckten Raume auf und nieder. Je länger er warten mußte, um so verdrießlicher wurde er, und wenn er verdrießlich aussah, wirkte sein Gesicht sehr unschön, fast erschreckend. Er läutete am Telephon, und als er hörte, daß es nur seine Frau war, die gern schon etwas wissen wollte, hängte er mit einem ärgerlichen: »Nein – ich werde schon selbst anklingeln, wenn etwas zu melden ist!« den Hörer wieder an.

Aber nun hörte er Stimmen und Schritte in dem anstoßenden großen Laden, hörte, wie einer seiner Leute sagte: »Bitte, hierher! Herr Gormann erwartet Sie in seinem Bureau!«, und sogleich hellten sich seine Mienen auf – die Augen bekamen etwas Leuchtendes und der breite Mund hatte ein Lächeln. … #ErsteSätze

Emma Haushofer-Merk: Spieglein, Spieglein an der Wand! Roman.

»Endlich! Endlich! Endlich!«

Melitta Falkner hätte immerzu das eine Wort vor sich hin jubeln, vor sich hin seufzen mögen in ihrer ungeduldigen Erwartung, in ihrer fieberhaften Spannung vor dem Abend.

All die Jahre, ihre ganze schöne Jugend lang, hatte sie in dem weltfernen Eschenbruck neben den Fabrikschloten zubringen müssen, voll Sehnsucht nach den Stadtfesten, von denen sie las, nach einem Platz unter den Genießenden, nach der eleganten Gesellschaft, in der sie mit ihrer Erscheinung wohl Aufsehen erregen mußte.

Seit sie erwachsen war, sagte ihr der Spiegel, daß sie schön sei, schön wie wenige. Freilich in ihrer ersten Jugend war nur der eine heiße Wunsch in ihr gewesen: Fort aus der Verwalterswohnung, aus dem gräflichen Schloß, in der sie nur durch das Gittertor das Leben der vornehmen Herrschaft erblickte; heraus aus der Abhängigkeit, in der ihre Eltern lebten, die ihrem stolzen Sinn verwundend, quälend, unerträglich war.

Ein riesengroßes Glück schien es ihr, als Paul Falkner, der Direktor und künftige Besitzer der großen chemischen Fabrik in dem nahen Eschenbruck, sich in sie verliebte und sie zu seiner Frau begehrte. Das Haus, in das er sie führte, die Zimmer, in denen sie wohnen durfte, die Kleider, die sie sich kaufen konnte, sie, die bisher so mühsam ihre paar Fähnchen selbst genäht hatte, vor allem die zärtliche Güte, mit der ihr Mann sie umgab: für die Tochter des Schloßverwalters waren es Wunder, die sie erlebte, als hätte eine gütige Fee sich des Aschenbrödels erbarmt. In dem sicheren Behagen, in Wohlstand und Pflege blühte erst ihre Schönheit so glänzend auf, daß staunende Blicke sie trafen, daß sie in allen Männeraugen eine stumme Huldigung las. … #ErsteSätze

Emma Haushofer-Merk: Der stille Garten. Novelle.

Über dem großen Garten vor der einsamen »Doktorsvilla« lag das Mondlicht; die kahlen Bäume warfen lange Schatten auf die weißen Kieswege. Kein Lüftchen regte sich, kein Laut störte die tiefe nächtliche Ruhe. Um so vernehmbarer waren die hastigen Schritte, die von der Bahnhofstraße sich näherten. Die Dogge erwachte, sprang auf, bellte drohend. Draußen am Gartentor wurde die Klingel gezogen. Das klang wie ein gellender Ruf durch die Totenstille.

Nach einer kurzen Frist das Klirren eines Fensters.

»Wer da?«

»Herr Doktor! Sie möchten kommen! So rasch als möglich!«

»Zu wem? Wer sind Sie?«

»Das Zimmermädchen im Hotel Terminus am Bahnhof. Eine Dame ist krank geworden, sehr krank.«

»Warum schickt man zu mir, nicht zum Bezirksarzt?« frug die Stimme droben mit unverkennbarer Bitterkeit.

»Er ist verreist.«

»Nun gut! Ich komme!«

Es geschah nicht allzuhäufig, daß Doktor Gerhardinger aus dem Schlaf geweckt wurde. Den wohlhabenden Familien in dem Markte Riedhausen mißfiel sein düsteres, wortkarges Wesen. … #ErsteSätze

Emma Haushofer-Merk: Floribella. Novelle.

In dem noch frühsommerlich stillen, in den Vorbergen gelegenen Dorfe Heittersbach fielen seit ein paar Wochen rosenfarbene Zettel auf, die an den gesehensten Punkten angeklebt waren: an dem Postgasthause mit seinen breiten Mauern und seinen vielen Fenstern, das zur Zeit des Wagenverkehrs einen starken Betrieb auszuweisen gehabt hatte, in dem es nun ziemlich still und beschaulich herging, an der Eisenbahnrestauration, vor der die leeren Bierfässer herumstanden oder in einer Schmutzlache schwammen, an dem Wirtshaus zum Adler, dessen Besitzer sich meist gemütlich pfeifend vor der Türe herumrekelte. Der Zettel leuchtete zwischen dem wilden Wein, der die Bretterwand des Lehrergartens umwucherte, er zierte das nüchterne Gemeindehaus und umschlang die Pfähle der beiden Straßenlaternen, die seit einem Jahre die ehrenvolle Aufgabe hatten, die nächtliche Finsternis Heittersbachs zu erhellen.

Wer vorüberging, warf einen verständnisvollen Blick auf den Rosenfarbenen; die meisten schmunzelten mit einem gewissen freudigen Stolz; wenn aber ein Bauer aus der Umgegend oder von einem der Einödhöfe in das Dorf kam, dann blieb er stehen, pflanzte seinen Stock fest in den Boden und schickte sich an, sich der mühevollen und langwierigen Aufgabe des Lesens zu unterziehen.

Auf dem Zettel stand in großer deutlicher Druckschrift: »Floribella oder Die Eisenschmölz im Felsental.« Ein Ritterstück in fünf Aufzügen. … #ErsteSätze

Hermann Bahr: Die schöne Frau. Novellen.

Ich treffe meinen lieben alten Freund Paul Dorn auf der Gasse.

»Servus!« sage ich. »Endlich sieht man dich wieder einmal! Ist das eine Manier? Es sind wenigstens sechs Monate – no, aber laß dich anschaun! wie geht’s dir denn immer – jetzt, in der Ehe? Paul, Paul, wer hätte das von dir gedacht! Auf dich hätt‘ ich geschworen! Aber die Weiber – ja, die Weiber!«

Paul lacht, nimmt meinen Arm, hängt sich ein und wir bummeln so durch die Stadt. Ich werde beinahe sentimental: »Paul Dorn als Gatte! Ich kann es noch immer kaum glauben! wo ist unsere Jugend hin? Erinnerst du dich noch, wie wir damals – mit der Mizi –«

Aber ich merke, daß er sich lieber nicht erinnert. Ich lasse also die Mizi fallen, wir gehen weiter, er nimmt sich eine Zigarre, ich sehe ihn mir so von der Seite an. Er scheint ernster als er sonst war; er hat jetzt eine gewisse bürgerliche Ruhe, fast Würde. Ja, die Ehe! Ich schäme mich vor ihm, so frivol zu sein: »Schau, du kennst mich doch, wie ich bin. Ich meine es ja gar nicht so, und bei dir ist das ja auch etwas ganz anderes. wenn man so eine schöne Frau hat wie du –«

Er läßt meinen Arm los und wird nervös: »Ich bitt‘ dich, fang du mir jetzt auch noch an! Das fehlt mir gerade noch. Das hab‘ ich gar gern!«

Ich, förmlich erschrocken: »Aber Paul!« … #ErsteSätze

Joseph Conrad: Nostromo. Roman.

Zur Zeit der spanischen Herrschaft, und noch viele Jahre nachher, hatte die Stadt Sulaco – von ihrem Alter zeugt die üppige Pracht der Orangengärten – in geschäftlicher Hinsicht höchstens als ein Küstenhafen mit beträchtlichem Lokalverkehr in Ochsenhäuten und Indigo einige Bedeutung gehabt. Für die klobigen Hochseegalionen der Eroberer hatte sich der Hafen von Sulaco wegen der in dem weiten Golf vorherrschenden Windstillen verboten; denn die brauchten eine scharfe Brise, um überhaupt vom Fleck zu kommen, wo einer der modernen Schnellsegler beim bloßen Flattern der Leinwand noch Fahrt macht. Einige Häfen in der Welt sind schwer zu erreichen infolge heimtückischer Unterwasserklippen und der Stürme an ihren Küsten. Sulaco lag wie in einem unverletzlichen Heiligtum geborgen vor den Versuchen der Handelswelt, in der feierlichen Stille des tiefen Golfo Placido, wie in einem ungeheuren, halbkreisförmigen Tempel ohne Dach, zur See zu offen, die Wände aus hohen Bergen mit den Trauertüchern der Wolken verhängt.

Auf der einen Seite dieser breiten Einbuchtung in der geraden Küstenlinie der Republik Costaguana läuft das Land in eine unbedeutende Spitze aus, die Punta Mala heißt. Von der Mitte des Golfs aus ist diese Landspitze überhaupt nicht sichtbar; nur der Kamm eines steilen Hügels, der sich darauf erhebt, ist undeutlich auszunehmen, wie ein Schatten am Himmel.

Auf der andern Seite zeichnet sich gegen die dunstige Glut des Horizonts etwas wie ein schwebender bläulicher Nebelfleck ab. Das ist die Halbinsel Azuera, ein wildes Gewirr scharfer Felsen und steiniger Gleichstrecken, von senkrechten Schluchten zerrissen. Sie ragt weit in die See hinaus, als streckte die grüne Küste an dünnem Hals aus Sand, von Dorngebüsch umwuchert, ein rauhes Haupt aus Stein vor. … #ErsteSätze

Arthur Schnitzler: Die Frau des Weisen und weitere Erzählungen. Erzählungen.

Hier werde ich lange bleiben. Über diesem Orte zwischen Meer und Wald liegt eine schwermütige Langeweile, die mir wohltut. Alles ist still und unbewegt. Nur die weißen Wolken treiben langsam; aber der Wind streicht so hoch über Wellen und Wipfel hin, daß das Meer und die Bäume nicht rauschen. Hier ist tiefe Einsamkeit, denn man fühlt sie immer; auch wenn man unter den vielen Leuten ist, im Hotel, auf der Promenade. Die Kurkapelle spielt meist melancholische schwedische und dänische Lieder, aber auch ihre lustigen Stücke klingen müd und gedämpft. Wenn die Musikanten fertig sind, steigen sie schweigend über die Stufen aus dem Kiosk herab und verschwinden mit ihren Instrumenten langsam und traurig in den Alleen.

Dies schreibe ich auf ein Blatt, während ich mich in einem Boote längs des Ufers hin rudern lasse.

Das Ufer ist mild und grün. Einfache Landhäuser mit Gärten; in den Gärten gleich am Wasser Bänke; hinter den Häusern die schmale, weiße Straße, jenseits der Straße der Wald. Der dehnt sich ins Land, weit, leicht ansteigend, und dort, wo er aufhört, steht die Sonne. Auf der schmalen und langgestreckten gelben Insel drüben liegt ihr Abendglanz. Der Ruderer sagt, man kann in zwei Stunden dort sein. Ich möchte wohl einmal hin. … #ErsteSätze

Edgar Allan Poe: Der Doppelmord in der Rue Morgue. Novelle.

Die eigentümlichen geistigen Eigenschaften, die man analytische zu nennen pflegt, sind ihrer Natur nach der Analyse schwer zugänglich. Wir würdigen sie nur nach ihren Wirkungen. Was wir unter andern Dingen von ihnen wissen, das ist, daß sie demjenigen, der sie in ungewöhnlich hohem Grade besitzt, eine Quelle höchster Genüsse sind. Wie der starke Mann sich seiner körperlichen Kraft freut und besonderes Vergnügen an allen Übungen findet, die seine Muskeln in Tätigkeit setzen, so erfreut sich der Analytiker jener geistigen Fähigkeit, die das Verworrene zu lösen vermag; auch die trivialsten Beschäftigungen haben Reiz für ihn, sobald sie ihm nur Gelegenheit geben, sein Talent zu entfalten. Er liebt Rätsel, Wortspiele, Hieroglyphen und entwickelt bei ihrer Lösung oft einen Scharfsinn, der den mit dem Durchschnittsverstand begabten Menschenkindern unnatürlich erscheint. Obwohl seine Resultate nur das Produkt einer geschickt angewandten Methode sind, machen sie den Eindruck einer Intuition.

Das Auflösungsvermögen wird möglicherweise noch bedeutend durch mathematische Studien erhöht, und zwar besonders durch das Studium jenes höchsten Zweiges der Mathematik, den man nicht ganz richtig und wohl nur wegen seiner rückwärts wirkenden Operationen vorzugsweise Analyse genannt hat. … #ErsteSätze

Émile Zola: Germinal. Roman.

In sternenloser, finsterer, rabenschwarzer Nacht schritt ein einzelner Mann durch die flache Ebene auf der Heerstraße dahin, die von Marchiennes nach Montsou führt und sich zehn Kilometer lang geradeaus durch Rübenfelder hinzieht. Er vermochte selbst den schwarzen Boden vor sich nicht zu unterscheiden und hatte das Gefühl des ungeheuren, flachen Horizontes nur durch das Wehen des Märzwindes, der in breiten Stößen eisig kalt dahinfuhr, nachdem er meilenweite Strecken von Sümpfen und kahlen Feldern bestrichen hatte. Kein Baumschatten hob sich vom Nachthimmel ab; die Straße zog sich mit der Regelmäßigkeit eines Dammes durch die stockfinstere Nacht hin, in der das Auge wie geblendet war.

Der Mann war gegen zwei Uhr von Marchiennes aufgebrochen. Er machte lange Schritte, denn er fröstelte in seiner Jacke von dünnem Wollenzeug und in seinem Beinkleid von Samtstoff. Sein Päckchen, das in ein karriertes Taschentuch gewickelt war, belästigte ihn sehr; er drückte es bald mit dem einen, bald mit dem anderen Ellenbogen an sich, um beide Hände zugleich in die Taschen stecken zu können, seine erstarrten Hände, die der eisige Ostwind wundgeblasen hatte. Ein einziger Gedanke beschäftigte seinen hohlen Kopf eines arbeits- und obdachlosen Arbeiters: die Hoffnung, daß nach Sonnenaufgang die Kälte weniger empfindlich sein werde. Er mochte eine Stunde so dahingeschritten sein, als er zur Linken zwei Kilometer von Montsou rote Feuer wahrnahm, drei Gluthaufen im freien Felde, die gleichsam in der Luft schwebten. Zuerst zögerte er, von Furcht ergriffen; dann konnte er dem schmerzlichen Bedürfnisse nicht widerstehen, einen Augenblick seine Hände zu wärmen. … #ErsteSätze

Émile Zola: Die Treibjagd. Roman.

Bei der Heimkehr war das Gedränge der längs des Teichufers zurückfahrenden Wagen so stark, daß die Equipage im Schritt fahren mußte. Einen Moment lang war das Gewirr so arg, daß dieselbe anzuhalten gezwungen war.

Langsam sank die Sonne an dem Oktoberhimmel hinab, der von hellgrauer Farbe und an seinem Rande von leichten Wolken gestreift war. Ein letzter Strahl, der durch das ferne Dickicht am Wasserfall auf die Fahrstraße fiel, hüllte die lange Reihe der regungslos verharrenden Wagen in ein mattes, röthliches Licht. Die goldschimmernden Lichter und hellen Blitze, welche die Räder warfen, schienen an das strohgelbe Untertheil der Kalesche festgebannt, in deren dunkelblauen Feldern sich einzelne Stücke der umgebenden Landschaft widerspiegelten. Von dem röthlichen Lichte ganz umflossen, welches sie von rückwärts erhielten und die Messingknöpfe ihrer in faltenloser Glätte über den Sitz zurückgelegten Ueberröcke schimmern machte, verharrten Kutscher und Kammerdiener in ihrer dunkelblauen Livrée, ihren ockerfarbenen Beinkleidern und gelb und schwarz gestreiften Westen steif, gelassen und ernst auf ihrem erhöhten Sitze, wie es sich für die Dienstleute eines guten Hauses geziemt, die ein Wagengedränge nicht aus der Fassung zu bringen vermag. Ihre mit einer schwarzen Kokarde versehenen Hüte verriethen viel Würde. Nur die Pferde, herrliche Braune, zeigten eine große Ungeduld.

»Sieh ‚mal!« sagte Maxime; »dort unten, in dem Coupé, sitzt Laura d’Aurigny. – – Sieh doch, Renée!« … #ErsteSätze

Theodor Storm: Der Spiegel des Cyprianus. Novelle.

Das Grafenschloß – eigentlich war es eine Burg – lag frei auf der Höhe; uralte Föhren und Eichen ragten mit ihren Wipfeln aus der Tiefe; und über ihnen und den Wäldern und Wiesen, die sich unterhalb des Berges ausbreiteten, lag der Sonnenglanz des Frühlings. Drinnen aber waltete Trauer; denn das einzige Söhnlein des Grafen war von unerklärlichem Siechtum befallen; und die vornehmsten Ärzte, die herbeigerufen wurden, vermochten den Ursprung des Übels nicht zu erkennen.

Im verhangenen Gemache lag der Knabe schlafend mit blutlosem Antlitz. Zwei Frauen saßen je zu einer Seite des Bettes, mit dem gespannten Blick der Sorge ihn betrachtend; die eine alt, in der Kleidung einer vornehmeren Dienerin, die andere, unverkennbar die Dame des Hauses, fast jung noch, aber die Spuren vergangenen Leides in dem blassen, gütevollen Angesicht. – In den schönsten Tagen ihrer Jugend hatte der Graf um sie, das wenig begüterte Fräulein, geworben; aber da schon nichts mehr fehlte als das ausgesprochene Wort, hatte er sich abgewandt. Eine reiche, schöne Dame, die dem armen Fräulein den stattlichen Gemahl und dessen Herrschaft neidete, hatte den leichtblütigen Mann in ihrem Liebesnetz verstrickt; und während diese als Herrin in das Grafenschloß einzog, blieb die Verlassene in dem Witwenstübchen ihrer Mutter. … #ErsteSätze

Theodor Storm: Von Jenseit des Meeres. Novelle.

Das Zimmer im Hotel war durch die gepackten Koffer nicht behaglicher geworden. Mein Vetter, ein junger Architekt, der es seit zwei Tagen bewohnt hatte, ging schweigend und seine Zigarre rauchend auf und ab, wie jemand, der ungeduldig ist, eine leere Zeit hinzubringen. – Es war eine milde Septembernacht, die Sterne schienen durch das offene Fenster; drunten auf der Gasse war der Lärm und das Wagengerassel der großen Stadt schon verstummt, so daß man drüben vom Hafen her das Plustern der Nachtluft in den Wimpeln und Tauen der Schiffe vernehmen konnte.

»Wann mußt du fort, Alfred?« fragte ich.

»Um drei Uhr geht das Boot ab, das mich an Bord bringen soll.«

»Willst du nicht noch ein paar Stunden ruhen?«

Er schüttelte den Kopf.

»So laß mich bei dir bleiben. Meinen Schlaf hole ich morgen im Wagen auf der Heimfahrt nach. Und wenn du willst, erzähle mir – von ihr! Ich kenne sie ja nicht; und laß mich wissen, wie alles so gekommen ist.« … #ErsteSätze

Theodor Storm: Auf dem Staatshof. Novelle.

Ich kann nur einzelnes sagen; nur was geschehen, nicht, wie es geschehen ist; ich weiß nicht, wie es zu Ende ging, und ob es eine Tat war oder nur ein Ereignis, wodurch das Ende herbeigeführt wurde. Aber wie es die Erinnerung mir tropfenweise hergibt, so will ich es erzählen.

Die kleine Stadt, in der meine Eltern wohnten, lag hart an der Grenze der Marschlandschaft, die bis ans Meer mehrere Meilen weit ihre grasreiche Ebene ausdehnt. Aus dem Nordertor führt die Landschaft eine Viertelstunde Weges zu einem Kirchdorf, das mit seinen Bäumen und Strohdächern weithin auf der ungeheueren Wiesenfläche sichtbar ist. Seitwärts von der Straße, hinter dem weiß getünchten Pastorate, geht quer durchs Land ein Fußsteig über die Fennen, wie hier die einzelnen, fast nur zur Viehweide benutzten Landflächen genannt werden; von einem Heck zum andern, aber auf schmalem Steg über die Gräben, durch welche die Fennen voneinander geschieden sind.

Hier bin ich in meiner Jugend oft gegangen; ich mit einer andern. Ich sehe noch das Gras im Sonnenscheine funkeln und fernab um uns her die zerstreuten Gehöfte mit ihren weißen Gebäuden in der klaren Sommerluft. … #ErsteSätze

Gottfried Keller: Romeo und Julia auf dem Dorfe. Novelle.

Diese Geschichte zu erzählen würde eine müßige Nachahmung sein, wenn sie nicht auf einem wirklichen Vorfall beruhte, zum Beweise, wie tief im Menschenleben jede jener Fabeln wurzelt, auf welche die großen alten Werke gebaut sind. Die Zahl solcher Fabeln ist mäßig; aber stets treten sie in neuem Gewande wieder in die Erscheinung und zwingen alsdann die Hand, sie festzuhalten.

An dem schönen Flusse, der eine halbe Stunde entfernt an Seldwyl vorüberzieht, erhebt sich eine weitgedehnte Erdwelle und verliert sich, selber wohlbebaut, in der fruchtbaren Ebene. Fern an ihrem Fuße liegt ein Dorf, welches manche große Bauernhöfe enthält, und über die sanfte Anhöhe lagen vor Jahren drei prächtige lange Äcker weithingestreckt gleich drei riesigen Bändern nebeneinander. An einem sonnigen Septembermorgen pflügten zwei Bauern auf zweien dieser Äcker, und zwar auf jedem der beiden äußersten; der mittlere schien seit langen Jahren brach und wüst zu liegen, denn er war mit Steinen und hohem Unkraut bedeckt und eine Welt von geflügelten Tierchen summte ungestört über ihm. Die Bauern aber, welche zu beiden Seiten hinter ihrem Pfluge gingen, waren lange knochige Männer von ungefähr vierzig Jahren und verkündeten auf den ersten Blick den sichern, gutbesorgten Bauersmann. Sie trugen kurze Kniehosen von starkem Zwillich, an dem jede Falte ihre unveränderliche Lage hatte und wie in Stein gemeißelt aussah. … #ErsteSätze

Gottfried Keller: Martin Salander. Roman.

Ein noch nicht bejahrter Mann, wohlgekleidet und eine Reisetasche von englischer Lederarbeit umgehängt, ging von einem Bahnhofe der helvetischen Stadt Münsterburg weg, auf neuen Straßen, nicht in die Stadt hinein, sondern sofort in einer bestimmten Richtung nach einem Punkte der Umgegend, gleich einem, der am Orte bekannt und seiner Sache sicher ist. Dennoch mußte er bald anhalten, sich besser umzusehen, da diese Straßenanlagen schon nicht mehr die früheren neuen Straßen waren, die er einst gegangen; und als er jetzt rückwärts schaute, bemerkte er, daß er auch nicht aus dem Bahnhofe herausgekommen, von welchem er vor Jahren abgefahren, vielmehr am alten Ort ein weit größeres Gebäude stand.

Die reichgegliederte, kaum zu übersehende Steinmasse leuchtete auch so still prächtig in der Nachmittagssonne, daß der Mann wie verzückt hinsah, bis er von dem Verkehrstrubel unsanft gestört wurde und das Feld räumte. Aber der erhobene Kopf, die an der Hüfte gelind sich hin und herwiegende Reisetasche ließen erkennen, wie er vom Schwunge der Gedanken bewegt, von Genugtuung erfüllt dahinschritt, um Weib und Kinder aufzusuchen, wo er sie vor Jahren gelassen. Jedoch vergeblich forschte er zwischen der rastlosen Überbauung des Bodens nach Spuren früherer Pfade, die sonst zwischen Wiesen und Gärten schattig und freundlich hügelan geleitet hatten. Denn diese Pfade lagen auch weiterhin unter staubigen oder mit hartem Kies beschotterten Fahrstraßen begraben. Obgleich das alles seine Bewunderung stetig erhöhte, war er endlich doch angenehm überrascht, als er unvermerkt, um eine Ecke biegend, sich in einen Häuserwinkel versetzt fand, den er augenblicklich an seiner verjährten ländlichen Bauart wiedererkannte. Die vorspringenden Dächer, das rote Balkenwerk, die kleinen Vorgärtchen waren die nämlichen, wie seit Menschengedenken. … #ErsteSätze

E. T. A. Hoffmann: Der Magnetiseur. Novelle.

»Träume sind Schäume«, sagte der alte Baron, indem er die Hand nach der Klingelschnur ausstreckte, um den alten Kasper herbeizurufen, der ihm ins Zimmer leuchten sollte; denn es war spät geworden, ein kalter Herbstwind strich durch den übel verwahrten Sommersaal, und Maria, in ihren Shawl fest eingewickelt, schien mit halbgeschlossenen Augen sich des Einschlummerns nicht mehr erwehren zu können. – »Und doch«, fuhr er fort, die Hand wieder zurückziehend und, aus dem Lehnstuhl vorgebeugt, beide Arme auf die Knie stützend, »und doch erinnere ich mich manches merkwürdigen Traumes aus meiner Jugendzeit!« – »Ach, bester Vater,« fiel Ottmar ein, »welcher Traum ist denn nicht merkwürdig, aber nur die, welche irgendeine auffallende Erscheinung verkündigen – mit Schillers Worten: die Geister, die den großen Geschicken voranschreiten – die uns gleichsam mit Gewalt in das dunkle geheimnisvolle Reich stoßen, dem sich unser befangener Blick nur mit Mühe erschließt, nur die ergreifen uns mit einer Macht, deren Einwirkung wir nicht ableugnen können.« –

»Träume sind Schäume«, wiederholte der Baron mit dumpfer Stimme. »Und selbst in diesem Weidspruch der Materialisten, die das Wunderbarste ganz natürlich, das Natürlichste aber oft abgeschmackt und unglaublich finden,« erwiderte Ottmar, »liegt eine treffende Allegorie.« … #ErsteSätze

E. T. A. Hoffmann: Die Bergwerke zu Falun. Novelle.

An einem heitern sonnenhellen Juliustag hatte sich alles Volk zu Göthaborg auf der Reede versammelt. Ein reicher Ostindienfahrer, glücklich heimgekehrt aus dem fernen Lande, lag im Klippahafen vor Anker und ließ die langen Wimpel, die schwedischen Flaggen, lustig hinauswehen in die azurblaue Luft, während hunderte von Fahrzeugen, Booten, Kähnen, vollgepfropft mit jubelnden Seeleuten, auf den spiegelblanken Wellen der Göthaelf hin und her schwammen und die Kanonen von Masthuggetorg ihre weithallenden Grüße hinüberdonnerten in das weite Meer. Die Herren von der ostindischen Kompanie wandelten am Hafen auf und ab und berechneten mit lächelnden Gesichtern den reichen Gewinn, der ihnen geworden, und hatten ihre Herzensfreude daran, wie ihr gewagtes Unternehmen nun mit jedem Jahr mehr und mehr gedeihe und das gute Göthaborg im schönsten Handelsflor immer frischer und herrlicher emporblühe. Jeder sah auch deshalb die wackeren Herrn mit Lust und Vergnügen an und freute sich mit ihnen, denn mit ihrem Gewinn kam ja Saft und Kraft in das rege Leben der ganzen Stadt. … #ErsteSätze

Luise Reinhardt: Zug um Zug. Novelle.

In Glanz und Frieden sank der Abend eines Frühlingstages auf die Fluren hernieder. Die Sonne war schon geschieden. Schwache Lichtreflexe zitterten noch auf den Gipfeln der hohen Linden, welche spielend ihre Blätter im sanften Lufthauche flüstern ließen. Dunkle schwere Wolken lagerten am Horizonte, aber es waren Thauwolken, die segnend die Fluren im nächtlichen Fluge netzen wollten.

Wunderschön bestrahlt vom rosigen Abendscheine lag ein Haus am Rande des Waldes. Seine großen Spiegelfenster reflectirten den rothen Glanz, so daß es dem Wanderer schien, als entzünde sich Feuergluth in denselben. Das Haus war ein Jagdschlößchen, wie es Fürsten und Könige sich früherhin zurecht hielten, um der Jagd nach Belieben und mit Bequemlichkeit obliegen zu können. Dies Jagdschloß, umgeben von einem künstlich dahin geführten Bache, machte den Eindruck einer kleinen Burg, unzugänglich für den, der zur Zeit, wo es unbewohnt stand, vergeblich nach einer Uebergangsbrücke suchte. Castellartig hoben sich die Mauern zweistöckig in die Höhe und ein flaches Dach, mit Kupferblech gedeckt, schloß diese Mauern ohne allen Zierrath ab. … #ErsteSätze

Luise Reinhardt: Der Major. Roman.

Es war ein heiterer, warmer Sommertag, als vom Dorfe Gorwisch querfeldein nach dem Biederitzer Busche ein sonderbares Paar durch die wallenden Kornfelder schritt. Ihr Aussehen ließ zweifelhaft, ob sie Beide den bessern oder den gemeinen Ständen angehörten. Betrachtete man ihre Kleidung, so neigte man sich der Meinung zu, einen Arbeiter mit seiner Frau vor sich zu sehen, die auf Tagelohn zu gehen beabsichtigten. Dem widersprach aber wieder die Haltung, die feine Gesichtsbildung und das intelligente Mienenspiel der beiden stumm dahinschreitenden Wanderer. Voran ging der Mann auf dem schmalen, von hohen Getreidehalmen umgrenzten Wege. Es war ein Mann nahe den Sechzigern; die breiten, rothen Streifen an den Beinkleidern, sowie der rothe Rand an der Mütze ließen errathen, daß er Soldat gewesen war, und dafür sprach auch seine feste, martialische Haltung und der regelrechte, gleichmäßige Gang. Außerdem trug er aber Civilkleider von unzweifelhaft ärmlicher Beschaffenheit.

Seine Begleiterin war jünger, auch stärker und kräftiger gebaut, als der Mann, dessen bleiches Gesicht von einem unregelmäßigen und wüsten Leben erzählte. Sie trug einen breitkrämpigen Hut, der ihr blühendes, aber nicht gerade übermäßig schönes Gesicht vor den brennenden Sonnenstrahlen schützte, und schritt mit kräftiger, nicht ungraziöser Behendigkeit dem Manne nach, trotzdem ihre Schultern mit einem Bündel beladen waren, das durch Riemen wie ein Tornister auf dem Rücken festgehalten wurde. … #ErsteSätze

Alexander Lange Kielland: Schnee. Roman.

Wenn der Schnee nach einem Sturme fällt – dicht, schwer und ebenmäßig – Vertiefungen ausfüllt, Spitzen und scharfe Ecken glättet; da ist es wunderbar, zu denken, es sei dasselbe Wasser, dem die Kraft verliehen ward, zu rauschen und zu springen, wie ein Rauch im Wasserfall zu sprühen und in mutigen Wellen den Weg hinaus zu dem freien, blauen Meer zu finden.

Und draußen – wenn die Sommersonne langsam und spät sich hinter den letzten schimmernden Streifen im äußersten Westen verbirgt, wo sich die pfadlose Bahn des Meeres um die Erde schlingt – dort wird es dir nicht leicht, zu verstehen, die frischen, goldgesäumten Wellen, wo der Fisch spielt und das Leben keimt, sei dasselbe Wasser, welches als schwerer, toter Schnee die Dächer der Häuser drücken, Bäume und Zweige beugen und die Wege vom Menschen zum Menschen versperren kann.

Da wird es ganz still in den großen Wäldern. Jeder Laut wird gedämpft und stirbt hin in der schneeerfüllten Luft, die sich nicht zu rühren vermag – eine schwere, weiche Stille wie in dichten Daunen, und das Glucksen des Baches unter dem Eise kommt in dumpfen Stößen, wie die tiefen Töne einer Spieldose.

Leicht und lautlos wie vorsichtige Gespenster senken sich aber die weißen Flocken herab – groß, wenn sie näher kommen, und immer winziger, je höher hinauf der Blick dringt, bis er von einem niedrigen, graugesprenkelten Himmel getrennt wird, welcher sich über die Bäume daniedersenkt. … #ErsteSätze

Jakob Wassermann: Melusine. Roman.

Wenige Menschen verstehen es, ihre Wünsche im Bereich des Möglichen zu lassen. –

Nach monatelangem Hungern war es Vidl Falk endlich gelungen, ein Stipendium von der Hochschule zu erhalten. Mehr hatte er nicht gewünscht. Er betrachtete sich als gemachten Mann und strebte, sich das Leben etwas gemächlicher einzurichten. Mit der ganzen Besitzesfreude eines Kapitalisten trug er sein Vermögen spazieren. Jedoch vermied er das Gedränge der Verkehrsstraßen, denn er fürchtete sich vor Taschendieben. Wenn er beim Mittagessen die Zeitung zur Hand nahm, so studierte er zuerst unter der Rubrik »Lokalnachrichten« die Aufzählung der Diebstähle und der verlorenen Geldbörsen.

Der plötzlich eingetretene Reichtum berauschte ihn. Die schmale, armselige Zelle, in der er bis jetzt gehaust, ekelte ihn auf einmal an. Er kündigte und ging aus, ein Zimmer zu suchen, das mit seinen Träumen möglichst übereinstimmen sollte. Der erfinderische Sinn Münchner Vermieterinnen, der schon den Aushängezettel mit jenen feinen Nuancen versieht, welche auf den Preis schließen lassen, erleichterte ihm das Suchen. … #ErsteSätze

Ida Boy-Ed: Die Opferschale. Roman.

Während nach beendeter geschäftlicher Unterredung der Rechtsanwalt Doktor Thomas Steinmann die Papiere in seine Aktenmappe legte, sprach Graf Leuckmer voll Zufriedenheit:

»Nun hätte man also seinen Lebensrest klar vor sich!«

›Klar?‹ dachte der jüngere Mann.

»Das kann so völlig nur jemand genießen, der’s viele Jahre mühsam gehabt hat«, fuhr der Graf fort. »Und ohne Ihres Vaters klugen Rat wäre ich nicht immer durchgekommen.«

›Ja‹, dachte Steinmann weiter, ›und jetzt fehlt der Rat, und meiner ist nicht beeinflussend genug.‹

Graf Leuckmer lächelte. Das gab seinem bleichen, feingemeißelten Kopf einen Ausdruck von Güte und Überlegenheit.

»Es gibt Menschen, die sehr deutlich denken können«, sagte er. … #ErsteSätze

Ida Boy-Ed: Zwei Männer. Roman.

Albrecht Michael von Fronhofen saß nah am Bette seiner Frau und las ihr einen Brief vor. Sie lag regungslos, gerade auf dem Rücken, und ihr Angesicht wandte sich um keine Linie breit dem Lesenden zu. Ihre großen Augen waren weit geöffnet, und die dunkle Iris darin stand ganz nach rechts. So hing ihr Blick am Munde des Gatten. Ihr schmaler Kopf, mit dem vollen Blondhaar, das vom Scheitel aus in Bandeaux an Schläfen und Wangen niederging, und mit dem feinen Gesicht, dessen Züge alle etwas in die Länge gezogen waren, lag auf dem weißen Kissen wie auf einem Hintergrund, der ganz besonders für ihn ausgesucht schien. All‘ die blassen Farben des Haares, der Wangen, der Leinwand stimmten köstlich zusammen. Das dunkle Auge, in welchem der Ausdruck mühsamen Horchens und gespannter Aufmerksamkeit lag, gab dem ruhenden Frauenbild Leben. Die langen, bleichen Hände hatte Frau Christine mit ausgestreckten Armen glatt auf die weiße Bettdecke gelegt. Links neben dem Lager erhob sich die blaßgrüne Zimmerwand.

»Bitte, noch einmal,« bat Frau Christine mit ihrer leisen, angenehmen Stimme. Und er las gefällig noch einmal. Er wußte, es war ihrer Schwäche nicht möglich, alle Sachen gleich beim ersten Hören zu fassen oder gar zu übersehen. Aber er dämpfte seine Stimme nicht; so volltönig sie war, sie that seinem Weibe niemals weh. … #ErsteSätze

Emma Haushofer-Merk: Seine Frage. Novelle.

Warum kam sie?

Seit Ottilie den Brief erhalten, frug sie sich’s in heimlicher Verwunderung. Nun stand sie an der Bahn und wartete auf den Zug, der die Freundin bringen sollte, und rätselte noch immer über die überraschende Botschaft. Warum kam sie? Die lebenslustige, verwöhnte Lottka zu ihr! In das stille alte Städtchen, das sie in ihren Briefen immer nur »dein schreckliches Nest« nannte.

Ihrer Familie gegenüber, in welcher der angekündigte Besuch eine ärgerliche Aufregung hervorgerufen, hatte Ottilie tapfer die alte Institutsfreundschaft verteidigt und behauptet: nichts sei natürlicher, als dass Lottka Lust habe, sich wieder einmal mit ihr »auszuschwätzen«; vielleicht sehne sie sich, nach den Wintervergnügungen der Großstadt, in diesen Frühlingstagen nach Ruhe; jedenfalls habe sie keine Ahnung, daß es bei ihnen, bei Eulenbergs, die doch ganz behaglich lebten, etwas so Unerhörtes sei, in dem großen Hause einmal einen Gast zu beherbergen.

Die arme Ottilie hatte in diesen paar Tagen viele Vorwürfe ertragen müssen, daß sie sich eigenmächtig Besuch einlade; ihr lange zusammengespartes Taschengeld war daraufgegangen, um das kahle Fremdenzimmer nur einigermaßen wohnlich herzurichten. Diese kleinen Opfer würde sie ja gerne gebracht haben. … #ErsteSätze

Dora Duncker: Die Graue Gasse. Roman.

Es war nur ein schmaler, unsicher tanzender Sonnenstrahl, der aus dem lichtblauen Maihimmel sich durch ein kleines, tief in dicke Mauern eingezwängtes Fenster auf das gesenkte Haupt eines jungen Mädchens stahl. Ab und zu erhob das schlanke Geschöpf, das auf einem erhöhten Fenstersitz saß und schrieb, den Kopf mit den reichen kastanienbraunen Flechten von der Schreiberei auf dem alten Mahagonitisch. Dann blickten die Augen ein klein wenig schwermütig zu dem kleinen Fenster hin, durch das man nur eine schmale enge Gasse sah und darüber hinaus ein paar rote Fabrikschornsteine mitten auf dem flachen, unbebauten Acker.

Es war Mittag, und tiefe Stille war in dem weiten, gewölbten, dickmauerigen Gemach, in dem das Mädchen schrieb. Auch drüben in der Tapetenfabrik herrschte die tiefe Ruhe der Mittagspause. Die Maschinen standen still. Auf den Arbeitstischen der Zeichner lagen Stifte und Farben unbenutzt. Das Bureau war geschlossen. Ab und zu, in langen Zwischenpausen, trug ein leiser, auf- und abwellender Wind schwache Laute an das Ohr des schreibenden Mädchens: ein leises Rauschen unten vom See her, auf den die Graue Gasse mündete, Stimmen, Kinderlachen und selten einmal das Rollen eines Wagens oben von dem grünen Plateau, aus dem sich der Hauptteil des Städtchens aufbaute. … #ErsteSätze

Agnes Franz: Die Schwingen des Lebens. Erzählungen.

Um das verirrte Geschlecht der Erde zu seinem höhern Ursprung zurückzuführen und seinem Uebermute zu steuern, der über vergänglichem Sinnenrausch die Freuden der Tugend, über irdischem Gewinn seine ewige Bestimmung vergaß, sandten die Götter eine ihrer himmlischen Töchter, die Wahrheit, zu den Tälern der Erde hinab.

Erkoren, die trügerischen Gebilde des Wahns zu zerstreuen, war es in ihre Macht gegeben, den Menschen jegliches Uebel, das sich in ihren Herzen verbarg, in einem Spiegel zu offenbaren. Zugleich war ihr Antlitz mit einem so siegenden Glanze bekleidet, daß jeder, ihre göttliche Abkunft erkennend, ihren Worten hingegeben vertraute.

Als nun die Wahrheit zu den Hütten der Menschen trat und diese in ihren Spiegel schauten, da entsetzten sie sich über den Anblick ihrer eigenen Gestalt und die Flecken ihrer Seele, und sie entflohen in die äußerste Wildnis, um sich vor den Augen der Wahrheit zu verbergen. Andere entbrannten über ihre Worte in raschem Zorn und trachteten darnach, die Priesterin des Himmels zu töten. Die Pfeile aber, die sie nach ihr versandten, kehrten sich auf ihre eigene Brust, und also fanden viele den Tod, die durch jene zum Leben berufen waren. … #ErsteSätze

Lew Tolstoi: Anna Karenina. Roman.

Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich; jede unglückliche Familie ist auf ihre Weise unglücklich. –

Im Hause der Oblonskiy herrschte allgemeine Verwirrung. Die Dame des Hauses hatte in Erfahrung gebracht, daß ihr Gatte mit der im Hause gewesenen französischen Gouvernante ein Verhältnis unterhalten, und ihm erklärt, sie könne fürderhin nicht mehr mit ihm unter einem Dache bleiben. Diese Situation währte bereits seit drei Tagen und sie wurde nicht allein von den beiden Ehegatten selbst, nein auch von allen Familienmitgliedern und dem Personal aufs Peinlichste empfunden. Sie alle fühlten, daß in ihrem Zusammenleben kein höherer Gedanke mehr liege, daß die Leute, welche auf jeder Poststation sich zufällig träfen, noch enger zu einander gehörten, als sie, die Glieder der Familie selbst, und das im Hause geborene und aufgewachsene Gesinde der Oblonskiy.

Die Herrin des Hauses verließ ihre Gemächer nicht, der Gebieter war schon seit drei Tagen abwesend. Die Kinder liefen wie verwaist im ganzen Hause umher, die Engländerin schalt auf die Wirtschafterin und schrieb an eine Freundin, diese möchte ihr eine neue Stellung verschaffen, der Koch hatte bereits seit gestern um die Mittagszeit das Haus verlassen und die Köchin, sowie der Kutscher hatten ihre Rechnungen eingereicht. … #ErsteSätze

Hedwig Courths-Mahler: Das Halsband. Roman.

Gräfin Susanne wollte nach Ostende reisen. Es war ihr zu langweilig auf Schloß Wildenfels. Sie brauchte Bewunderer ihrer Schönheit, Geselligkeit, Schmeicheleien und Publikum für ihre neuesten Pariser Toiletten. Das alles hoffte sie in Ostende zu finden. Vor der Welt reiste sie natürlich nur dahin, um mit einigen befreundeten Familien zusammenzutreffen.

Ihr Gemahl hatte keine Lust, sie zu begleiten, er blieb lieber daheim bei seiner Mutter und seinem Sohne.

Gräfin Susanne war das sehr angenehm. Sie amüsierte sich immer besser, wenn ihr Gatte nicht dabei war, obwohl er ihr in allen Dingen freie Hand ließ. Wußte er doch, daß ihr kaltes, hochmütiges Wesen sie davor behütete, jemals die Grenzen zu überschreiten, die einer ehrbaren Frau gesteckt sind. Mochte ihre Eitelkeit Triumphe feiern – das war ihr Lebensinhalt.

Der Wagen mit einem Diener, einer Zofe und vielem Gepäck war bereits zur Stadt gefahren, die etwa eine Stunde von Wildenfels entfernt lag. Es war eine kleine Garnisonstadt.

Für Gräfin Susanne stand ein vornehm ausgestatteter Wagen bereit. Ihr Gemahl wollte sie bis zum Bahnhofe begleiten. … #ErsteSätze

Hedwig Courths-Mahler: Das Testament von Rochambeau. Novelle.

Das Fräulein von Rochambeau war im Alter von vierundsiebzig Jahren dahingeschieden. Ihre sterblichen Überreste waren prächtig aufgebahrt in der großen Halle des Schlosses Rochambeau. Der hohe, gewölbte Raum mit den dunklen, holzverkleideten Wänden, an denen ringsum allerlei Waffen und Wappen von der ruhmreichen Vergangenheit eines alten Adelsgeschlechtes zeugten, bot einen wunderbar feierlichen und stimmungsvollen Anblick.

Der mit Blumen umgebene und von hohen Wachskerzen beleuchtete Sargaufbau erhob sich, von schönen Palmen überragt, in der Mitte des Raumes. Die flackernden Lichter schienen einiges Leben auf das kleine wachsgelbe Greisinnenangesicht zu zaubern, aus dem der Tod all die Falten und Fältchen gestrichen hatte, die das Leben hineingegraben. Am Fußende des Sarges war ein schwarzverhangener, mit Papieren bedeckter Tisch aufgestellt. Schwere Silberleuchter standen darauf, in denen gleichfalls Wachskerzen brannten, denn es war ein trüber Tag, und in die Halle fiel wenig Tageslicht, weil vor den Fenstern ein überdachtes Tor ihm den Eintritt verwehrte. … #ErsteSätze

Rudolf Hans Bartsch: Die Apotheke zur blauen Gans. Roman.

Der pastellstaubfarbene Sommerhimmel war voll vom Geschrille der unruhig und reisebegehrlich gewordenen Segelschwalben. Dschriiii, dschriiii ging es immerzu. Und der Sommer träumte ihrem aufreizenden Laute nach wie eine Frau, hinter deren unbewegt schönem Antlitz der schneidende Gedanke des vierzigsten Geburtstages wühlt. Fort, daß man sie nicht mehr sehe – nur fort! Man soll nicht sagen: »Sie war schön.«

Am Fenster im Erker des Apothekerhauses saßen der Pfarrer von Großglavina, der Professor Peter Allius Solvanus, Onkel Eligius Mappe, der Apotheker und Doktor Vollrat.

»Gib mir den Kater auf den Schoß, Onkel Mappe«, sagte der Pfarrer.

»Ich kann den Kater jetzt nicht stören«, lehnte Eligius Mappe ab. »Da, sieh ihn nur an; er hört nicht einmal auf die Segler. Oder er fühlt sie bloß und weiß, der Sommer ist zu Ende; sie wollen ziehen. Er sonnt sich noch mit tiefem Gemüt und hält Gottesfriede, so daß sogar die Flöhe sorgenfrei aus seinem weißen Fell herauskommen und sich ebenfalls sonnen.«

»Schwermütig schön: Es sind die Tage der Dahlien und der Herbstzeitlose«, nickte Professor Solvanus. »Du, Mappe, ist ›sie‹ wieder herausgekommen und hat den Seglern nachgeschaut?« … #ErsteSätze

Rudolf Hans Bartsch: Bittersüße Liebesgeschichten. Erzählungen.

Kurze Zeit vor dem Heldenjahre 1809 war der Regenschirm erfunden worden. Wie alle älteren Modelle war auch er damals unhandlich, kyklopisch und überflußreich, aber in einem Falle gedieh das seinem Träger zum Glück.

Dieser Fall war der des soeben zum Doktor graduierten Mediziners Konrad Würffel, der im März des Jahres Neun durch das Drautal nach Tirol einzog. Denn die bayrischen Behörden waren zwar wie alle übrigen, aber sie galten für wachsam und behaupteten selber, es zu sein. Da nun der Dumme Glück hat, hätten sie leicht dahinterkommen können, daß der kaum erst ausgekrochene Doktor Würffel in seinem Regenschirm ein Schwert verborgen hatte: ein deutsches Ritterschwert. Zweischneidig, mit etwas gekürztem, einstweilen abgeschraubtem Kreuzgriff und fast drei Schuh lang!

Mit diesem Ritterschwerte und einer demselben angemessenen Gesinnung: einem Gemisch von einigen zwanzig Jahren, sehr viel Homer, Ossian, Götz von Berlichingen und Schiller, eilte der junge Würffel den Tirolern zu Hilfe, und jenes schöne Schwert, das jeder Ritterbühne Ehre gemacht hätte, warf er gegen Napoleon in die Wagschale. … #ErsteSätze

Paul Zech: Das törichte Herz. Erzählungen.

Fünf Jahre war Michael in Rußland gefangen, hatte vielerlei Landstriche zwischen Warschau und dem Ural gesehen, hatte beim Bahnbau gearbeitet, konnte Stellmacher- und Schmiedearbeiten verrichten, wußte im Bergbau Bescheid und hätte als Meister einer Gerberei gut die Prüfung bestehen können. Aus einem schmächtigen Burschen war, in der langen Zeit des Krieges und der fast ebenso langen Gefangenschaft, ein von dem harten Leben braungebeizter Mann geworden, ein zergrübelter Kopf, ein vortrefflich organisiertes und kerngesundes Muskelsystem. Seine Kleidung hing zwar in Fetzen vom Körper herab, das Schuhwerk hatte er sich aus Holz und Fell selber verfertigt, sein Gesicht war mit einem widerspenstigen Bart bewachsen; die Augen aber warfen eine urgesunde Glut, in der Stimme lag Festigkeit und in einem Gurt auf dem nackten Leib trug er mehr denn sieben Pfund Silber und Gold-Erz.

An einem regnerischen Septembertag holte ihn die Mutter vom Bahnhof ab. Erkannt hatte sie ihn nicht als er aus dem Zug stieg und die Wartenden der Reihe nach musterte. Erst als seine Stimme mit der tiefen Erschütterung der Freude in ihr Gesicht hinüberschlug und der noch jedes Herz bezwingende Ruf: »Mutter« ihr Blut mit der Gewalt eines Sturmes durchbrauste, da erst legte sie ihren Kopf an seine Brust und fühlte die Erde unter ihren Füßen fortgeschwemmt werden von den Erlebnissen des schönen Wiedersehens in den Wohnungen der Seele. … #ErsteSätze

Else Franken: Auf Messers Schneide. Roman.

Auf der letzten Station vor dem Endziel sprang Rudolf Rabener auf den Bahnsteig.

Er reckte sich, seufzte und lächelte. Allen Reiseunbilden hatte er mit schier muselmännischem Gleichmut standgehalten. Zur bösesten Unbill rechnete er unbedingt das Eingepferchtsein in die peinliche Enge, in Staub und Kohlendunst solchen kleinen Eisenbahnabteils. Sie schenkte einem nichts, sie ließ sich tüchtig bezahlen, diese sogenannte moderne Kultur.

Aber nun waren mit einem Male Geduld und Stoizismus zum Teufel. Es war schließlich mit den meisten Unternehmungen so, die letzte Etappe erforderte den größten Energieaufwand. Gut wenigstens, daß Semesterschluß bevorsteht. Arbeit? Verkehr? Familiensimpelei – das alles kann er für eine Weile nicht brauchen. Nun fängt er erst wieder an aufzumerken. Das Stück Italien zuletzt, das Land aller Jugendsehnsucht – zu anspruchsvoll für einen Müden. Danach tut die norddeutsche Farblosigkeit wohl, Stille und Maß.

Der junge Professor Rabener steht auf dem Bahnsteig der fast dörflichen Station. Spärliches Kleinstadtgewusel schiebt sich um ihn herum, und plötzlich schweben über dieser gesunden Alltagsprosa zwei weiße Schmetterlinge, fesseln Rabeners Blick, wie sie da silberschillernd umeinander gaukeln. … #ErsteSätze

Philipp Galen: Der Irre von St. James. Roman.

Es war in den ersten Tagen des Juni im Jahre 1843, als ich, von einer Reise nach Schottland zurückkehrend, denjenigen Teil Englands betrat, in welchem das steilere Gebirge allmählich in die wellenförmigen grünen Hügel übergeht, die, je mehr man sich dem Süden zuwendet, nach und nach sich in das flache Land verlieren.

Es war ein sehr warmer Tag gewesen, und ich hatte, nach meiner Gewohnheit zu Fuß reisend, viel von der Hitze gelitten, so daß ich mit Sehnsucht den kühleren Abendstunden entgegensah, die für den Reisenden so erquickend sind.

Mein Herz, noch erfüllt von den Wundern des Hochlandes, wurde getragen von den schönen Naturszenen, die mich umgaben.

Ich hatte viele fremde und entlegene Länder besucht, nicht nur, um sagen zu können, ich sei dagewesen, sondern ich fühlte mich als Arzt berufen, den Menschen in seinem freuden- und leidenvollen Treiben zu studieren, und ich hatte es mir diesmal zur besonderen Aufgabe gemacht, alle Krankenhäuser von Ruf, vorzüglich aber die Irrenanstalten, zu besuchen, die in England so musterhaft ausgestattet sind, daß sie sogar eine europäische Berühmtheit erlangt haben.

So wollte ich denn eine der namhaftesten dieser Heilstätten aufsuchen, die auf meinem heutigen Wege lag, und längere Zeit darin verweilen – ich meine die Irrenanstalt zu St. James. … #ErsteSätze

Johannes Schlaf: Ein freies Weib. Roman.

In einen dröhnenden Frühjahrssturm hinein hatten sie Vater zu seiner letzten Ruhestätte hinausgefahren.

Langsam hatte sich vor nicht ganz zwei Stunden, kurz nach drei Uhr nachmittags, der kleine schwarze Leichenzug die endlos lange Vorstadtstraße hinaufgeschoben, die zu dem an ihrem äußersten Ende gelegenen Friedhof hinausführte. Mitten hinein in das unaufhörliche, in seiner Gewalt fast schrecklich anzuhörende Dröhnen und Sausen; denn der Sturm war dem Zuge vom oberen Ende der Straße her gerade entgegengebraust.

»Vater würde wohl seine Freude haben, wenn er den Sturm hören könnte«, dachte Mieze, die sich jetzt mit Frau Dühring, ihrer Mutter, und ihrer dreizehnjährigen Schwester Fanny auf dem Heimweg vom Friedhof befand.

»Auch über Gewitter hat er sich ja so gefreut; und gerade wenn sie am schlimmsten waren und alle sich fürchteten.«

Ein sonderbares, plötzlich aufquellendes Mitleid hob ihr den jungen Busen, zwei Tränen traten ihr in die Augen, und vielleicht zum erstenmal in ihrem Leben mit solcher Bewußtheit verfiel sie in ein Nachdenken, was Vater doch für ein merkwürdiger Charakter gewesen war … #ErsteSätze

Olga Wohlbrück: Athleten. Roman.

»Ob wir uns die letzten Nummern schenken?…«

Mit der ihm angeborenen Höflichkeit hatte Fürst Erasmus Hohen-Steineck – er nannte sich mit dem alten Namen seines Geschlechtes jetzt Fürst Hoheneck – das lange Programm des Wintergartens über sich ergehen lassen. Aber schließlich erlahmte seine Geduld.

Seine Tochter Wanda, aus erster Ehe, in fast klösterlich einfacher Tracht, die Haare glatt zurückgestrichen, den hageren Oberkörper steif aufgerichtet, streifte die Stiefmutter mit einem kurzen Blick.

Agathe richtete sich nun ihrerseits auf aus der lässigen, fast müden Haltung, die sie einzunehmen pflegte, wenn sie sich unbeobachtet glaubte.

»Ja, wenn ihr meint …«

Aber da war das junge Ehepaar aus Wien, um dessentwillen man die Expedition unternommen hatte. Xaver Sternfeld, ein Neffe des Fürsten, mit seiner jungen Frau, die wohl aus nicht ganz einwandfreien Kreisen stammte, nach der Größe ihrer lupenreinen Brillanten zu schließen, die sie verschwenderisch über ihren Körper verteilt hatte. Der junge Ehemann schloß immer beschämt die Augen bei einem besonders frechen Aufsprühen der Steine. Er fand es entschieden taktlos, wie so ein indischer Nabob bei den armen, vornehmen Verwandten zu erscheinen; aber die Steffi ließ sich halt nix sagen. … #ErsteSätze

Reinhold Ortmann: Freundschaftsopfer. Roman.

Am Rüsternweg lag eines der unscheinbarsten unter den vielen Landhäuschen, die während der letzten Jahre im Süden der ständig wachsenden Großstadt errichtet worden waren. Man brauchte fast drei Viertelstunden, um mit der Straßenbahn aus dem innersten Stadtgebiet bis hierher zu gelangen, und ein großer Teil des Weges führte durch wenig anheimelnde Viertel. Die Bewohner der Landhaussiedlung waren zumeist wohlhabendere Angehörige des Mittelstandes. Der Rüsternweg war ein kurzes Seitensträßchen, an dem in größeren Zwischenräumen wenige bescheidene Einzelhäuser lagen. Statt von kunstvoll angelegten, wohlgepflegten Gärten waren sie vorerst noch von erhalten gebliebenen Resten des kümmerlichen Kiefernwaldes umgeben, der einst den ganzen Baugrund bedeckte. Die reizlos eintönige Umrahmung gab den Häuschen ein schwermütiges Aussehen.

Der wohlgekleidete junge Mann, der vom Endpunkt der Straßenbahnlinie her suchend die Kolonie durchschritten hatte, bis er sich endlich zu diesem melancholischen Rüsternweg gefunden, schien jedoch nichts von niederdrückenden Empfindungen zu verspüren. Sein ungewöhnlich feines, ausdrucksvolles Gesicht spiegelte unverkennbar die Heiterkeit und freudig gespannte Erwartung eines Menschen, der sicher ist, angenehmen Erlebnissen entgegenzugehen. Vor dem niederen, hölzernen Gartengitter des Häuschens Nummer 3 machte er halt, um nach dem üblichen Schildchen auszuspähen, das über den Namen des Bewohners Auskunft gäbe. … #ErsteSätze

Wilhelmine Heimburg: Wie auch wir vergeben … Roman.

Am 6. September 1880 kam ich in das Haus des Herrn Oberförsters Nordmann. Zehn Minuten vom Dorf Zülla lag das Forsthaus am Rand der großen Waldungen. Wunderschön fand ich das alte massive Gebäude, von Eichen und Tannen umstanden; ich meinte, der Friede müßte leibhaftig hier wohnen, und wußte doch, daß er schon lange aus diesen Mauern gewichen war.

Herr Nordmann hatte mich in Magdeburg mit folgenden Worten engagiert: »Ich habe zwei Töchter, eine ist zwanzig Jahre alt, die andere siebzehn. Die erstere braucht Sie nicht mehr als Erzieherin, sie ist sozusagen, fix und fertig, aber die Kleine, die muß jemand haben, jemand, die ihr die Mutter ersetzt, ich bin nämlich Witwer. Außerdem natürlich – Sprachen und dergleichen. Karoline war in einer sehr guten Pension, Johanna kann ich nicht in eine solche geben. Es ist einsam bei uns, aber Sie haben den Wald und das Kind.« … #ErsteSätze

Hedwig Courths-Mahler: Gib mich frei! Roman.

Lisa stand in dem langschleppenden weißen Brautkleide vor dem Spiegel. Vor zwei Stunden war sie auf dem Standesamt nach Recht und Gesetz die Gattin des Barons Ronald von Stolle-Hechingen geworden. Nun sollte die kirchliche Einsegnung der Ehe stattfinden. Lisas Tante, Frau Konsul Limbach, stand vor ihr und betrachtete sie durch ihre Stiellorgnette mit kritischen Blicken. Sie gab der Jungfer, die noch um Lisa beschäftigt war, in vornehm lispelndem Ton Anweisungen, was noch an dem Kleide geordnet werden mußte.

Lisa selbst sagte kein Wort dazu. Sie stand in gerader, gezwungener Haltung da und blickte mit großen, verträumten Augen in den Spiegel. Ein scheues, verklärtes Lächeln huschte zuweilen um ihren Mund, und leise Seufzer entstiegen ihrer Brust, als sei sie zu eng für das, was sie empfand. Sie war keine Schönheit, die blasse, scheue Lisa. Ihre mittelgroße Gestalt war entschieden noch zu schlank und unentwickelt; die Linien entbehrten der Rundung. Dieser Eindruck wurde noch durch eine steife, gezwungene Haltung verschärft. In ihrem Wesen lag etwas Gedrücktes, Unselbständiges, wie man es bei Menschen findet, die sich nicht frei entwickeln konnten. … #ErsteSätze

Paul Zech: Die Vögel des Herrn Langfoot. Roman.

Stadt und Landschaft dieser Erde am Rio de la Plata waren nicht Zeuge der Geburt des Johann Peter Langfoot gewesen. Er war ungerufen nach Buenos Aires gekommen und hatte eine schwere Gedankenfracht aus. jenem Teil Europas mitgebracht, der sich seiner Meinung nach geistig und moralisch in einer völligen Auflösung befand.

Die hohen Palmen im Gelände des Hafens versuchten die immer noch nachklingende Erregung Johann Peters wieder zu glätten. Sie pochten sehr deutlich auf ihren tropischen Ursprung, obwohl sie von eisigem Regenwind arg zerrupft waren. Hinter dem Behang, der einem großen Reiserbesen glich und es doch nicht fertigbrachte, den schwarzen Unrat der Wolken wegzukehren, machte sich die Stadt auf eine nicht gerade angenehme Art bemerkbar. Sie gab ihm die hier übliche Geschäftsmarke »Gringo«, und damit wußte er nicht das mindeste anzufangen. … #ErsteSätze

Paul Zech: Michael M. irrt durch Buenos Aires. Roman.

Diese hier vorausgeschickten Blätter sind keine Aufzeichnungen in dem Sinne, daß sie den Beginn der Irrungen und Wirrungen des Michael M. wiedergeben. Sie sind nur eine beschreibende Kennzeichnung dessen, der hier als Michael M. in der Figur eines Ecksteins erscheint. Ohne äußeres Verschulden zum Ärgernis geworden, auf daß noch Ärgeres sich an ihm reibe. Die eigentliche Geschichte von Michael M., einem Mann, der dieser Stadt nicht froh wurde, weil er, wie er meinte, an einer bösartigen Krankheit litt, hat er selber aufgeschrieben. Sie scheint, wenn man sie mit den üblichen Romanen vergleicht, keinen Anfang und auch kein Ende zu haben. Als wäre dem Verfasser nur das Dazwischen wesentlich erschienen. Eine Station seiner Lebensreise, die nur die Bedeutung einer nicht gewellten Haltestelle hat. Eine ärgerliche Verzögerung. Eine Landung in Unlust und von allen Unbequemlichkeiten eines zufälligen und schnell gemieteten Zimmers durchschauert. … #ErsteSätze

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